Life - Richards, K: Life - Life
über das »große Werk«, an dem man gerade herumtüftelte. Das spielte keine Rolle. Ich wusste, wie hart er arbeitete. Wie auch ich war er darin fast manisch, aber das verstand sich von selbst.
Das Problem bei Michael war, dass er in tiefste unergründlichste Depressionen versank. Schwarze Schatten. Der »Poet des Objektivs« war ein empfindsameres Geschöpf, als man vermuten mochte. Michael schraubte sich langsam, aber sicher in Gefilde hinunter, aus denen es keine Wiederkehr gab. Doch zunächst gehörten wir zur selben Bande. Nicht dass wir irgendwelche Dinger drehten, wir bildeten einfach einen sehr elitären kleinen Zirkel. Wir waren extravagant und ehrlich gesagt ziemlich unverschämt, und wir testeten alle Grenzen aus - einer musste es schließlich tun.
Zu Acid gibt es nicht viel zu sagen außer: Jesus, was für ein Trip! Sich da reinzubegeben war eine sehr unsichere Angelegenheit; unerforschtes Terrain. 1967 und 1968 fand eine echte Umwälzung statt im Verständnis der Ereignisse, es herrschte große Verwirrung, und es wurde unendlich viel experimentiert. Das Verblüffendste, an das ich mich bei einem Acid-Trip erinnere, waren Vögel - Vögel, die vor meinem Gesicht herumflogen, die aber gar nicht existierten, Paradiesvögel. In Wirklichkeit war es ein Baum, den der Wind schüttelte. Ich ging eine Landstraße entlang, alles war sehr grün, und ich konnte beinahe jeden Flügelschlag sehen. Das Ganze
lief dabei so verlangsamt ab, dass ich mir sagte: »Verdammt, das kann ich auch!« Von daher wundert es mich nicht, wenn immer mal wieder jemand aus dem Fenster springt. Plötzlich begreift man nämlich, wie das läuft. Dieser Vogelschwarm brauchte ungefähr eine halbe Stunde, um mein Gesichtsfeld zu durchqueren, ein unglaubliches Geflatter, und ich nahm jede einzelne Feder wahr. Dabei sahen sie mich mit einem Ausdruck an, als wollten sie sagen: »Probier’s doch auch mal.« Verflucht … Aber gut, manches bleibt mir dann doch verwehrt.
Wenn man Acid nahm, musste man sich die richtigen Leute suchen, sonst konnte es gefährlich werden. Wenn zum Beispiel Brian Acid einwarf, wurde er vollkommen unberechenbar. Entweder war er ganz und gar entspannt und komisch, oder er verwandelte sich in eine dieser Figuren, die dich ohne Zögern den falschen Weg hinunterführten, wenn der richtige versperrt war. Und plötzlich findest du dich auf direktem Weg in die Paranoia wieder. Acid entzieht dir die Kontrolle. Warum marschiere ich in diesen schwarzen Punkt hinein? Ich will da doch gar nicht hin. Wollen wir nicht lieber zurück an die Wegkreuzung und warten, bis sich der richtige Weg wieder auftut? Ich möchte den Vogelschwarm noch mal sehen, ich möchte ein paar coole Ideen für die Gitarre haben und den verlorenen Akkord finden. Das war der Heilige Gral der Musik, der damals sehr beliebt war. Es gab seinerzeit einen ganzen Haufen Prä-Raffaeliten, die wie Ormsby-Gores in Samt gewandet und mit Tüchern um die Knie herumliefen und nach dem Heiligen Gral suchten, dem verlorenen Hofstaat von König Artus, nach Ufos und Energiefeldern.
Bei Christopher Gibbs wusste man nie so genau, ob er gerade auf Acid war, weil er sich immer so benahm. Kann sein, dass ich ihm nie ohne Acid begegnet bin, ich muss zumindest sagen, dass er sich nicht wenig zutraute. Er war bereit zum Sprung ins Ungewisse,
auch ins Tal des Todes. Er war bereit, ihm Auge in Auge gegenüberzutreten. Ich habe nie erlebt, dass ihn der Stoff aus dem Gleichgewicht brachte, er schien nie auf einem schlechten Trip zu sein. In meiner Erinnerung schwebt Christopher immer engelsgleich einen Meter über dem Boden. Aber da befanden wir uns wahrscheinlich alle.
Niemand hatte große Erfahrung mit dem Zeug; wir tappten alle im Dunkeln. Ich fand es durchaus interessant, traf aber gleichzeitig eine Menge Leute, die es fertigmachte, und das kannst du bei einem Trip überhaupt nicht gebrauchen: dich um Leute kümmern zu müssen, die schlecht draufkommen. Es gab welche, die sich dabei veränderten, die schlimm paranoid wurden oder wahnsinnig nervös oder Angstzustände bekamen. Brian war so einer. Das konnte jedem passieren, aber in einer derartigen Stimmung konnte man weitere Leute anstecken, denen es dann auch schlecht ging.
Acid war das große Unbekannte. Man konnte sich nie sicher sein, dass man wieder auftauchte. Ich selbst hatte zwei absolut fürchterliche Trips. Ich weiß noch, wie Christopher beruhigend auf mich einredete: »Hey, alles wird gut, alles wird gut.« Er
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