Life - Richards, K: Life - Life
wurde, und wie die Presse einen Marsriegel auf einem Tisch und die in ein Fell gewickelte Marianne in einen Mythos verwandelte, ist ein Klassiker für sich. Eigentlich war Marianne ja ausnahmsweise mal ziemlich keusch gekleidet. Wenn man sie begrüßte, redete man normalerweise erst mal mit ihrer Oberweite. Und dass die Eindruck machte, das wusste sie. Eine ungezogene Lady, Gott segne sie. In diesem Fell war sie vollständiger bekleidet, als sie es den ganzen Tag gewesen war. Eine Polizeibeamtin ging mit ihr nach oben, wo sie die Decke fallen ließ. »Was wollen Sie sonst noch sehen?« Die Abendausgaben titelten: »Nacktes Mädchen auf Stones-Party« - so viel zum Thema, was in den Köpfen der Menschen vorging. Infos direkt von der Polizei. Aber der Marsriegel als Dildo? Ein ziemlich großer Gedankensprung. Das Kranke an diesen Mythen ist, dass sie hängenbleiben, auch wenn sie noch so offensichtlich falsch sind. Vielleicht steckt dahinter die Vorstellung, dass sie so absurd oder plump oder lüstern sind, dass sie gar nicht erfunden sein können . Man stelle sich doch nur mal eine Gruppe männlicher und weiblicher Polizisten vor, die so ein Beweismittel entdecken - offen zur Schau gestellt, während sie durchs Haus trampeln. »Tschuldigung, Officer, ich glaube, Sie haben da was übersehen. Äh, genau hier.«
Unter den Gästen in Redlands an diesem Tag waren Christopher Gibbs und ein großbürgerlicher Flaneur aus der Oberschicht namens
Nicky Kramer, der sich an jeden ranwanzte, aber dabei von derart arglosem Gemüt war, dass er für den Verrat nicht infrage kam - auch wenn David Litvinoff ihn an den Fußknöcheln aus dem Fenster hielt, um ein Geständnis aus ihm herauszuschütteln. Und der später vor Gericht Mr. X genannte David Schneiderman war natürlich auch anwesend. Schneiderman hatte das Acid allererster Güte mitgebracht. Er war der Acid King , Urheber von Markennamen wie Strawberry Fields, Sunshine und Purple Haze - wo, glauben Sie wohl, hatte Jimi das aufgeschnappt? Alle möglichen Mixturen hatte er dabei, echtes Champions-League-LSD, auf diese Art kam Schneiderman rein in unsere Kreise. In jenen unschuldigen und dann so schlagartig beendeten Tagen kümmerte sich kein Mensch um den Dealer, diesen coolen Typen, der da in der Ecke hockte. Es war einfach eine große, glückliche Party. Doch in Wahrheit war der coole Typ der Agent der Polizeitruppe. Er hatte einen ganzen Beutel voller Köstlichkeiten dabei, unter anderem auch jede Menge DMT, was wir bis dahin noch nie probiert hatten, Dimethyltryptamin, einer der Inhaltsstoffe von Ayahuasca, einer sehr wirkungsvollen psychedelischen Droge. Zwei Wochen lang fehlte er bei keiner Party. Dann verschwand er rätselhafterweise und ward nie wieder gesehen.
Die Verhaftung war eine abgekartete Sache zwischen der News of the World und der Polizei, aber das ganze Ausmaß des Komplotts wurde erst Monate später vor Gericht offenbar. Mick hatte dem Revolverblatt, das ihn mit Brian Jones verwechselt und geschrieben hatte, dass er in einem Nachtclub Drogen konsumiert hätte, mit einer Klage gedroht. Um sich zu verteidigen, wollte das Blatt vor Gericht eine Zeugenaussage gegen Mick durchdrücken. Mein belgischer Chauffeur Patrick hatte uns an die News of the World verraten, die wiederum den Bullen einen Tipp gegeben hatte, die dann Schneiderman einschleusten. Ich hatte den Fahrer immer
großzügig bezahlt, und ein Deal ist normalerweise ein Deal, was heißt: Maul halten. Aber die News of the World konnte ihn trotzdem ködern. Was Patrick nicht gut bekam. Wie ich erfuhr, musste er ordentlich Prügel einstecken.
Es dauerte eine Weile, bis wir alle Einzelheiten im Detail erfuhren. Soweit ich mich erinnere, war die Atmosphäre zunächst ziemlich entspannt. Verdammt, was wir getan hatten, hatten wir auch vorher schon getan. Erst später, am nächsten Tag, als die Briefe von den Anwälten eintrudelten, von Ihrer Majestät Regierung und blablabla, kam uns der Gedanke: »Scheiße, jetzt wird’s ernst.«
Wir beschlossen, aus England zu verschwinden und erst zurückzukehren, wenn der Fall vor Gericht verhandelt wurde. Wir suchten nach einem Land, in dem wir legal an Drogen kommen konnten. Es war einer dieser Blitzentschlüsse. »Wir nehmen den Bentley und düsen runter nach Marokko.« Anfang März machten wir uns aus dem Staub. Wir hatten keine Termine, und wir hatten den besten Wagen für einen kleinen Urlaub. Mein dunkelblauer Bentley S3 Continental Flying Spur - ein
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