Life - Richards, K: Life - Life
ob wir uns gerade nach oben wienerten. Aber sie waren nett. Also beschloss ich, dass es nicht darauf ankam. Wer sich für uns interessierte, war willkommen. Du willst bei uns rumhängen, dann häng
rum . Soviel ich weiß, war es das erste Mal, dass diese Leute sich derart massiv Musiker als Gesellschaft aussuchten. Sie merkten vermutlich, dass da etwas im Schwange war, blowin’ in the wind , um Bob zu zitieren. Sie genierten sich da oben, die blaugewandeten Ritter, und hatten das Gefühl, etwas zu verpassen, wenn sie nicht mitmachten. So kam es also zu dieser seltsamen Mischung aus Adligen und Gangstern; eine Faszination, die die Oberschicht der Gesellschaft für die untere Etage entwickelt. Und das galt vor allem für Robert Fraser.
Robert trieb sich gern in der Unterwelt herum. Vielleicht war das seine Art, gegen seine erstickende Herkunft zu rebellieren, gegen die Unterdrückung der Homosexualität. Er fühlte sich zu Leuten wie David Litvinoff hingezogen, der sich an der Schnittstelle von Kunstszene und Verbrechen bewegte und ein Freund der Kray-Brüder war, der Gangster aus dem East End. In dieser Geschichte gab’s natürlich auch Schurken. Jedenfalls kam an dem Punkt Tony Sanchez ins Spiel, weil er Robert aus der Klemme half, als er Spielschulden hatte. So hat Robert Tony kennengelernt. Und Tony wurde Roberts Verbindungsmann, ein Helfer bei Problemen mit der Unterwelt, außerdem sein Dealer.
Tony betrieb in London ein Spielcasino, in das spanische Kellner nach Feierabend gingen. Er war ein Drogenhändler und Gangster mit einem komplett zuhältermäßig aufgemotzten zweifarbigen Jaguar Mark 10. Sein Vater führte ein bekanntes italienisches Restaurant in Mayfair. Spanish Tony war ein harter Bursche. Piff paff bumm. So in der Art. Bevor er ein böser Junge wurde, war er ein großartiger Kerl. Sein Problem war, genau wie bei vielen anderen auch, dass er zum Junkie wurde. Das geht nicht zusammen. Wenn du ein harter Kerl sein willst und schlau und auf dem Quivive, und das war Tony eine Zeit lang, dann kannst du es dir nicht leisten, auf Droge zu sein. Es macht dich langsam. Wenn du’s verkaufen
willst, bitte, aber du darfst es nicht selber nehmen. Zwischen einem Dealer und einem Abnehmer gibt es einen großen Unterschied. Wenn du ein Dealer sein willst, musst du den anderen immer einen Schritt voraus sein, sonst vermasselst du’s, und genau das ist Tony passiert.
Er hat mich ein paarmal gelinkt. Ohne dass ich davon wusste - ich habe das erst später erfahren -, hat er mich bei einem Juwelenraub in der Burlington Arcade als Fahrer für das Fluchtauto benutzt. »Hör mal, Keith, ich hab da diesen Jaguar. Lust auf’ne Probefahrt?« Was die wollten, war ein sauberes Auto und einen sauberen Fahrer. Und Tony hatte den Typen offenbar erzählt, ich sei ein guter Nachtfahrer. Also wartete ich da draußen und hatte keine Ahnung, was los war. Tony war ein guter Kumpel von mir, aber er hat mich öfter übers Ohr gehauen.
Mit Michael Cooper, einem anderen guten Freund, war ich auch viel zusammen. Ein fantastischer Fotograf. Er konnte endlos rumsumpfen; hat unglaublich viel vertragen. Er war der einzige Fotograf, den ich je kennengelernt habe, der tatsächlich einen Zitterich hatte, wenn er seine Bilder machte, und am Ende waren sie trotzdem scharf. »Wie hast du das gemacht? Deine Hände haben gezittert. Das Bild müsste total verwackelt sein.« - »Ich weiß einfach, wann ich den Auslöser drücken muss.« Michael hielt das Leben der frühen Stones bis ins Detail fest, weil er einfach nie aufhörte zu knipsen. Bilder waren sein Ein und Alles, sein Leben. Er fing alles und jedes in Bildern ein - oder besser gesagt, die Bilder hatten ihn gefangengenommen.
In gewisser Weise war Michael Roberts Geschöpf. Robert hatte manchmal etwas Manipulatives an sich und fühlte sich auf verschiedensten Ebenen von Michael angezogen, aber in erster Linie bewunderte er Michaels Kunstwillen und förderte ihn. Michael war ein Netzwerker. Er war derjenige, der alles zusammenhielt, all
diese verschiedenen Szenen von London, die Aristokraten und die Ganoven und all die anderen.
Wenn man all das Zeug nimmt, das wir damals genommen haben, redest du am laufenden Band über alles Mögliche, bloß nicht über das, woran du gerade arbeitest. Wenn Michael und ich beisammensaßen, palaverten wir also erst mal über die Qualität des Stoffs. Zwei Besessene, die higher werden wollten als je zuvor, ohne dabei allzu großen Schaden zu nehmen. Kein Wort
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