Life - Richards, K: Life - Life
du hältst deine scheiß Gitarre ja direkt unter deinem blöden Kinn. Das ist doch keine Geige.« Ich glaube, sie hielten das für cool. Gerry & the Pacemakers, die ganzen
Bands aus Liverpool machten das so. Wir blödelten immer so rum. »Kauf dir endlich einen längeren Gurt, John. Je länger der Gurt, desto besser spielst du.« Ich weiß noch, wie er dabei nickte. Als ich ihn das nächste Mal sah, waren die Gurte ein bisschen länger. Ich sagte nur: »Erstaunt mich nicht, dass ihr nicht richtig swingt. Kein Wunder, dass ihr nur Rock könnt und es mit dem Roll nicht so weit her ist.«
John konnte ziemlich direkt sein. Aber die einzige richtige Grobheit mir gegenüber, an die ich mich erinnern kann, bezog sich auf mein Solo im Mittelteil von »It’s All Over Now«. Er hielt es für Mist. Vielleicht war er an dem Tag mit dem falschen Fuß aufgestanden. Na gut, es hätte bestimmt besser sein können. Man konnte ihn schnell entwaffnen. »Yeah, nicht gerade meine beste Leistung, John. Tut mir leid. Tut mir leid, dass es daneben ist, alter Junge. Du kannst es spielen, wie immer du willst.« Doch dass er sich überhaupt die Mühe machte zuzuhören, bedeutete, dass er interessiert war. Er war so offen. Bei jedem anderen konnte das peinlich sein. Aber John hatte so was Ehrliches an sich, das einen sofort für ihn einnahm. Und auch so eine Intensität. Er war einmalig. Wir fühlten uns auf seltsame Weise zueinander hingezogen. Und es war von Anfang an klar, dass da zwei Alphatiere aufeinander getroffen waren.
»Post-Acid« - das war die allgemeine Stimmung an einem kalten Februarmorgen 1967 in Redlands. Post-Acid: Jeder kommt zu sich und spürt wieder festen Boden unter den Füßen. Dann hängst du den ganzen Tag rum, stellst bescheuerte Sachen an und lachst wie ein Irrer. Oder du gehst am Strand spazieren, es ist eiskalt, du hast keine Schuhe an, und du wunderst dich, warum du dir den Arsch abfrierst. Das Comedown erwischt jeden anders. Manche sagen: Okay, gleich in die nächste Runde, andere sagen: Nein danke, mir
reicht’s erst mal. Aber der Flashback kann dich jeden Moment wieder in den vollen Acid-Taumel zurückkatapultieren.
An dem besagten Februarmorgen klopfte es an der Tür. Ich schaute durchs Fenster. Draußen stand eine Horde Zwerge, alle in den gleichen Klamotten. Polizisten, aber das begriff ich erst später. Sie sahen einfach aus wie sehr kleine Menschen, die alle in Dunkelblau mit glänzendem Zeug dran steckten und Helme trugen. »Tolle Aufmachung! Waren wir verabredet? Egal, kommen Sie rein, ist ziemlich kalt da draußen.« Sie versuchten mir den Haftbefehl vorzulesen. »Ah, schön, aber kommen Sie doch rein, ist doch viel zu kalt da draußen. Kommen Sie, da am Kamin ist es wärmer.« Ich war noch nie verhaftet worden, und ich war immer noch auf Acid. Freundschaft, liebe deinen Nächsten. Nie hätte ich gesagt: »Bevor ich Sie reinlasse, will ich meinen Anwalt sprechen.« Bei mir hieß es immer: »Klar, kommen Sie rein.« Und dann wurde man rüde eines Besseren belehrt.
Während wir ganz sachte von unserem Acid-Trip zurückkehrten, trampelten sie durchs Haus und gingen ihrer Arbeit nach. Keiner von uns schenkte ihnen übermäßig viel Beachtung. Sicher, man spürte das übliche nervöse Kribbeln, aber in dem Augenblick konnten wir sowieso nichts dagegen tun, also ließen wir sie einfach herumlaufen und in die Aschenbecher spähen. Eigentlich unfassbar, aber ihre einzige Beute waren ein paar Jointstummel und das, was Mick und Robert Fraser in ihren Taschen hatten, bei Mick eine winzig kleine Menge Amphetamin, die er legal in Italien gekauft hatte, und in Roberts Fall ein paar Herointabletten. Ansonsten nichts.
Aber da war natürlich die Sache mit Marianne. Es war ein harter Tag auf Acid gewesen, sie hatte oben ein Bad genommen und lag jetzt unten ausgestreckt auf dem Sofa. Ich hatte dieses riesige Fell, Hasenfell oder so, und in das hatte sie sich eingewickelt. Ich glaube, ein Handtuch hatte sie sich auch noch um den Körper geschlungen.
Wie der Marsriegel in die Geschichte reingerutscht ist, weiß ich nicht mehr. Einer lag auf dem Tisch - oder ein paar, wie auch immer, weil einen mit Acid plötzlich der Heißhunger auf irgendwas Süßes packen kann, und dann futtert man eben einen.
Jedenfalls hing ihr der Skandal um die Stelle, wo die Polizei diesen Marsriegel angeblich gefunden hatte, ihr Leben lang an. Man muss sagen, sie geht fabelhaft damit um. Aber die Art, wie dieser Zusammenhang hergestellt
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