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Life - Richards, K: Life - Life

Titel: Life - Richards, K: Life - Life Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Richards
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Art Volksheld, eine Rolle, die ich seither gerne ausfülle. Und alles dank Judge Block.
    Aber die Sache hatte auch ihre Kehrseite. Wir stellten fest, dass wir ins Fadenkreuz eines nervösen Establishments gerückt waren. Mit einer solchen Bedrohung können die Machthaber auf zwei Arten umgehen: Assimilation oder gnadenloses Niedermachen. An die Beatles kamen sie nicht mehr ran, denn denen hatten sie schon Orden verliehen. Also machten sie uns nieder. Und zwar entschlossener, als ich gedacht hätte. Ich meine, ich landete im Gefängnis, weil ich mich mit der Obrigkeit angelegt hatte! Eben noch Gitarrist in einer Popband, nahm mich plötzlich die britische Regierung samt ihrer unbarmherzigen Polizeigewalt ins Visier. Wir dachten uns: Die müssen wirklich Schiss vor uns haben. Zwei Weltkriege hatten sie gewonnen, aber bei unserem Anblick zitterten sie wie verdammtes Espenlaub. »Wenn wir jetzt nicht einschreiten, werden unsere Kinder eines Tages so sein wie die.« Was für ein ignoranter Schwachsinn - von beiden Seiten. Wir hatten keine Ahnung, dass wir den überaus dramatischen Sturz des Empire förderten, während sie unsere Zuckerdosen durchwühlten, ohne zu wissen, wonach sie eigentlich suchten.
    Was sie nicht davon abhielt, es über die nächsten achtzehn Monate immer und immer und immer wieder zu versuchen, während sie allmählich lernten, was es mit Drogen auf sich hatte. Das war denen alles neu. Früher konnte ich noch mit einem Brocken Hasch die Oxford Street runterlaufen, mit einem Piece so groß wie ein
Skateboard. Damals,’65,’66, in dieser kurzen Phase absoluter Freiheit, musste ich das Teil nicht mal einwickeln! Wir kamen gar nicht drauf, dass wir damit das Gesetz brachen, und die andere Seite hatte sowieso keinen Schimmer. Aber dann,’67, als das Ganze zum Thema wurde, erkannten sie ihre große Chance - eine Chance auf einen hübschen Zuverdienst, auf schnellere Beförderungen oder eine noch höhere Quote an Verhaftungen. Keine große Sache, einen Hippie hochzunehmen, und erst recht ein Kinderspiel, irgendwem ein paar Joints unterzujubeln. So was gehörte schon bald zum Alltag, man musste ständig darauf gefasst sein.
    Der Großteil des ersten Knasttags ging für Aufnahmerituale drauf. Auf die Ankunft folgte eine Dusche mit den übrigen Neuankömmlingen, danach wurde man mit Läusespray abgespritzt. Nett, wirklich nett. Wormwood Scrubs ist auf maximale Einschüchterung ausgelegt, angefangen bei der sechs Meter hohen Mauer. Aber mir klopfte gleich einer auf die Schulter und meinte: »Blake hat’s geschafft.« Vor neun Monaten hatten Freunde des Spions George Blake eine Leiter über die Mauer geworfen und ihren Kumpel nach Moskau geschmuggelt. Eine sensationelle Flucht, aber Blake hatte ja auch zu allem entschlossene russische Komplizen. Ich lief nur immer brav im Kreis. Um mich herum herrschte so ein Betrieb, dass es eine Weile dauerte, bis mich einer antippte. »Keef, du Sack. Du bist raus auf Kaution.« Und ich: »Soll ich irgendwem was ausrichten? Wenn ja, muss ich es jetzt wissen.« Worauf ich circa zehn Briefchen an die Familien abliefern durfte, rührendes Zeug. In Wormwood Scrubs tummelten sich einige knallharte Typen, aber die schlimmsten davon waren Wärter. Als ich in meinen Bentley stieg, meinte der Oberarsch: »Wir sehen uns.« Und ich: »Da kannst du lange warten.«
    Unsere Anwälte waren in Berufung gegangen, deshalb hatte man mich auf Kaution rausgelassen. Vor der Berufungsverhandlung
war uns plötzlich die Times zu Hilfe geeilt, die große Streiterin für die Sache der Außenseiter. »Man kann sich dem Eindruck nicht entziehen«, hatte Herausgeber William Rees-Mogg in seinem Artikel »Wer schießt mit Kanonen auf Spatzen?« geschrieben, »dass Mr. Jagger eine härtere Strafe erhalten hat, als sie jemals gegen einen weniger prominenten Angeklagten verhängt worden wäre.« In anderen Worten: Ihr habt es versaut, und jetzt steht die gesamte britische Justiz schlecht da. Tatsächlich hat uns Rees-Mogg den Arsch gerettet, denn, ob man es glaubt oder nicht, ich fühlte mich wirklich wie ein Spatz, auf den man ein riesiges Ding abgefeuert hatte. Man denke nur an das schmutzige, brutale Vorgehen der Obrigkeit in der Profumo-Affäre; wie da unbequeme Personen verleumdet und zu Tode gehetzt wurden, das konnte mit jedem Johnle-Carré-Thriller mithalten. Heute staune ich eigentlich, dass es nicht noch blutiger zugegangen ist. Noch im selben Monat wurde mein Schuldspruch aufgehoben; Micks wurde

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