Life - Richards, K: Life - Life
Persönlichkeiten gehörten dazu - Donyale Luna, das erste berühmte schwarze Model der USA, oder Nico und die vielen anderen Mädchen, die ständig herumschwirrten. Donyale Luna war mit einem Typen vom Theater liiert; sie war ein Tiger, ein Leopard, eine der geschmeidigsten Schwarzen, die ich je gesehen habe. Alle Achtung. Nicht dass ich einen Versuch gestartet hätte, denn sie hatte offensichtlich eigene Pläne. Und alles vor dem Hintergrund der wunderschönen Stadt - ein unglaublicher Rahmen.
Während der Dreharbeiten zu Barbarella landete Anita im Gefängnis. Sie war abends mit ein paar Typen vom Theater unterwegs, als sie rausgewunken und nach Drogen durchsucht wurde. Anita selbst wurde von der Polizei für einen Transvestiten gehalten; sie landete im Käfig, und kaum wurden die Türen geöffnet, schrien alle: »Anita! Anita!« Sie war ja keine Unbekannte, sie hatte ihre Connections. Aber sie wollte sich nun mal als Schwarze Königin aus Barbarella ausgeben, die man unmöglich verhaften konnte, und zischte daher: »Ruhe! Leise!« Eine kleine Theateraufführung also, ihrer Meinung nach ganz nach dem Geschmack der aufgeklärten römischen Bevölkerung oder zumindest dazu angetan, für ein wenig Ablenkung zu sorgen. Bei ihrer Verhaftung hatte sie schnell einen dicken Haschbrocken runterschlucken müssen, sie war also ziemlich gut drauf. Die Polizei steckte sie in eine Zelle mit den anderen Tunten - also mit den anderen queens -, und am nächsten Morgen holte sie irgendwer gegen Kaution raus. Das waren noch Zeiten, als die Staatsmacht überhaupt nicht wusste, was sie mit den vielfältigen Erscheinungsformen des Transvestitentums anfangen sollte. Die hatten schlicht keine Ahnung, was da eigentlich lief.
Unter Anitas Freunden waren die angesagtesten Leute überhaupt - wie üblich eben. Zum Beispiel der Schauspieler Christian Marquand, der auch bei Candy , Anitas nächstem Film im selben Sommer, Regie führte. Die Hauptrolle in dem großen Starensemble spielte Marlon Brando, der Anita eines Nachts entführte, um ihr Gedichte vorzulesen. Als das nicht funktionierte, versuchte er, uns beide auf einmal rumzukriegen. »Vielleicht später, Kumpel.« Oder Paul und Talitha Getty, Hüter des besten, reinsten Opiums. Ich freundete mich mit meinesgleichen an, mit gestrauchelten Seelen wie dem Schriftsteller Terry Southern, einem wirklich netten Kerl, oder dem Sohn des Malers Balthus, »Prinz« Stanislas Klossowski
de Rola, genannt Stash - eine Figur wie aus einem Schelmenroman, ein unglaublicher Typ. Anita und Stash kannten sich aus Paris, und jetzt hatte Brian Jones ihn geschickt, um sie zurückzuholen. Stattdessen hängte er sich an den, der sie ihm ausgespannt hatte: an mich. Stash beherrschte die hohe Kunst des modischen Schaumschlagens. Er plapperte über Mystizismus, schwang große Reden über Alchemie und geheime Künste, letztlich nur, um Frauen aufs Kreuz zu legen. Und wie naiv die Ladys reagierten! Stash war ein Playboy, der sich gerne in der Rolle des Casanova sah. Eine unfassbare Erscheinung, und das im zwanzigsten Jahrhundert. Er trat mit Vince Taylor auf, einem amerikanischen Rock’n’Roller, der in England gescheitert war, aber in Frankreich große Erfolge feierte. Stash zog sich einen schwarzen Handschuh an, stellte sich auf die Bühne und spielte Tamburin. Er liebte die Musik, er tanzte unheimlich gern, in seinem ganz eigenen, aristokratisch angehauchten Tanzstil. Ich rechnete ständig damit, dass er ein Menuett hinlegte. Er wollte dazugehören, zu uns, konnte aber auch einen auf »Prinz Blablabla« machen. Alles heiße Luft.
Wir wohnten zusammen in der Villa Medici, einem prächtigen Palast mit aufwendig angelegten Gärten, der zu den elegantesten Gebäuden der Welt zählte. Stash hatte uns dort einquartiert, in der Wohnung seines Vaters Balthus, der irgendeine diplomatische Funktion für die Académie française ausfüllte, die Eigentümer des Anwesens. Balthus war unterwegs, wir hatten also sturmfreie Bude. Zum Mittagessen die Spanische Treppe runter, später in die Clubs oder zurück in die Villa, um ein bisschen zu relaxen, oder ein Besuch in den Gärten der Villa Borghese - meine persönliche Grand Tour. In der Luft lag ein gewisses rebellisches Murren, alles war politisch aufgeladen, aber abgesehen von den späteren Aktionen der Roten Brigaden war nichts dahinter. Als Vorläufer der Pariser Aufstände vom nächsten Jahr besetzten die
Studenten die Universität und machten ein bisschen Revolution.
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