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Life - Richards, K: Life - Life

Titel: Life - Richards, K: Life - Life Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Richards
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Aufgaben futsch. Seine Trickkiste hatte uns nichts mehr zu bieten.
     
    Weihnachten 1967 flogen Anita, ich und Robert Fraser, der gerade aus dem Gefängnis entlassen worden war, zurück nach Marokko. Chrissie Gibbs hatte sich in Marrakesch eingenistet, im Haus eines italienischen Friseurs. Dazu gehörte ein großer, verwilderter
Garten voller Pfauen und weißer Blumen, die sich durch Gras und Unkraut hindurchzwängten. In Marrakesch herrscht ein sehr trockenes Klima, und wenn es dann regnet, schießt auf einmal dieses ganze Zeug aus dem Boden. Damals war es nasskalt, weshalb wir oft im Haus Feuer machten. Wir rauchten eine Menge Dope. Gibbs besaß einen großen Topf Majoun, eine marokkanische Leckerei aus Gras und Gewürzen, die er aus Tanger mitgebracht hatte, während Robert auf einen Typen schwor, an den uns Brion Gysin vermittelt hatte: Mr. Verygood, der ebenfalls Majoun herstellte und in der Mischmaschfabrik - also der Marmeladenfabrik - arbeitete. Jeden Abend machte er uns frische Aprikosenmarmelade.
    Auf dem Weg hatten wir in Tanger haltgemacht, um bei Achmed vorbeizuschauen. An den Wänden seines Ladens hingen mittlerweile Stones-Collagen. Er hatte alte Samenkataloge zerschnippelt, so dass unsere Gesichter aus einem Wald von Erbsenpflanzen und Hyazinthen hervorblinzelten. Damals gab es noch zahlreiche Möglichkeiten, Dope mit der Post zu verschicken, und wenn man welches kriegen konnte, war afghanisches Primo das beste überhaupt. Normalerweise war es in zwei Formen verfügbar: eine Art fliegende Untertasse mit Siegel oder eine sandalenförmige Masse, beziehungsweise eher die Sohle einer Sandale. Das Zeug war von feinen weißen Adern durchzogen, angeblich Ziegenscheiße, die dem Bindemittel beigemischt worden war. Im Lauf der Jahre verschiffte Achmed große Mengen Hasch im Boden von Messingkerzenhaltern. Bald besaß er vier Läden nebeneinander und fuhr große amerikanische Autos, in denen sich die norwegischen Au-pairs drängten. Für ihn ging es so richtig bergauf - bis ich ein paar Jahre später hörte, dass man ihn verknackt und seinen gesamten Besitz beschlagnahmt hatte. Aber Gibbs kümmerte sich um ihn und verlor ihn bis zu seinem Tod nicht aus den Augen.

    Tanger wimmelte nur so von Flüchtlingen und zwielichtigen Gestalten, von Außenseitern mit Doppelleben. Auf dieser Reise sahen wir zwei merkwürdige Beach Boys den Strand hinunterlaufen, beide in Anzügen à la Blues Brothers: die Kray-Zwillinge. Ronnie Kray stand auf kleine Marokkanerjungs, und Reggie ließ ihm den Spaß. Die beiden brachten einen Hauch Southend-Flair mit - Kopfbedeckungen aus verknoteten Taschentüchern, hochgekrempelte Hosen. Gleichzeitig las man in der Zeitung, sie hätten den »Axeman« ermordet und irgendwelche Leute an den Boden genagelt. Die Unterwelt mischte sich mit der Glitzerwelt. Eben erst hatten Paul Getty und seine schöne Frau Talitha, die schon bald sterben sollte, einen riesigen Palast in Sidi Mimoun gekauft, in dem wir einmal übernachteten. Wir lernten einen Kerl namens Arndt Krupp von Bohlen und Halbach kennen - an den Namen erinnere ich mich, weil er der Erbe der Krupp-Millionen und zugleich ein echter Paradiesvogel war; eine verkommene Figur, selbst nach meinen bescheidenen Maßstäben. Womöglich saß er mit im Wagen, als ich einen der furchterregendsten Momente meiner Autofahrerkarriere erlebte. Einen Moment, bei dem ich um Haaresbreite Bekanntschaft mit dem Tod gemacht hätte.
    Michael Cooper war auf jeden Fall mit dabei, vielleicht auch Robert Fraser, und dann noch einer - eventuell eben Krupp. Sollte es sich tatsächlich um den Erben des Rüstungsimperiums gehandelt haben, hätte unser Beinaheunfall einen stark ironischen Beiklang erhalten. Wir hatten einen Ausflug nach Fez gemacht, in einem gemieteten Peugeot, und am Abend sollte es quer über das Atlasgebirge zurück nach Marrakesch gehen. Ich saß hinterm Steuer. Und im Gewirr der Haarnadelkurven, auf halbem Weg ins Tal, hinter der nächsten Ecke und kurz darauf direkt vor meiner Nase, kommen auf einmal ohne jegliche Vorwarnung zwei Motorräder auf uns zu, schön über die ganze Fahrbahn verteilt - Militär, den Uniformen
nach zu schließen. Der eine weicht nach da aus, ich nach dort, alles wunderbar, nur dass es direkt daneben ein paar hundert Meter runtergeht. Wenn man da runterstürzt - gute Nacht. Also reiße ich das Lenkrad herum und steuere nach innen, und plötzlich türmt sich ein fetter Lastwagen vor mir auf, beschützt von einer weiteren

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