Life - Richards, K: Life - Life
kannte jeden Gesangspart, jeden Gitarrenpart. »Da ist nur eine Sache, die hab ich nie verstanden«, sagte ich. »Auf eurer ersten Single, ›Bye Bye Love‹, das Intro. Dieser Gitarrensound am Anfang, mit dem der Song losgeht, was zum Henker ist das? Wer spielt das?« Und Don meinte: »Ach das, das ist das G-Tuning, das Bo Diddley mir gezeigt hat.« Und ich: »Hey, Moment mal, was hast du da gerade gesagt?« Und er nimmt seine Gitarre, stimmt sie auf offenes G und sagt: »Ja genau, ich hab das gespielt.« Er schlägt es an, und ich sage: »Scheiße, das ist es! Du warst das! Du hast das gespielt!«
Ich weiß noch, wie ich bei Keith zum ersten Mal diese seltsame Gitarrenstimmung gehört habe - zumindest kam sie mir damals seltsam vor. Das war Anfang der Siebziger. Ich war mit Linda Ronstadt in England. Und als ich in Keiths Haus marschiere, sehe ich da auf einem Gitarrenständer diese
Strat mit nur fünf Saiten. Ich: »Was ist denn mit der passiert? Kaputt?« Und er: »Nein, das ist meine Klampfe, mehr brauch ich nicht.« Wie bitte? Und er weiter: »Meine Fünfsaitige! Open-G-Tuning mit fünf Saiten!« Und ich: »Open-G-Tuning? Moment mal, Don Everly hat mir mal was von Open-G-Tuning erzählt. Du spielst Open-G-Tuning?« Wenn man als junger Kerl Gitarre spielt, lernt man die Stones-Songs, damit man in den Bars damit auftreten kann. Und du merkst, dass da was nicht stimmt, dass du sie nicht richtig hinkriegst, irgendwas fehlt. Ich hatte nie Folk gespielt. Und ich wusste auch nicht so viel über Blues wie er. »Ist das der Grund, warum ich das nicht richtig hinbekomme? Zeig mir das mal.« Viele Sachen werden dadurch sehr viel einfacher. »Can’t You Hear Me Knocking« zum Beispiel. Außer in dieser Stimmung kann man das gar nicht spielen. Es klingt absurd. Aber in dieser Stimmung ist es kinderleicht. Wenn man die erste, die oberste Saite um einen Ton niedriger stimmt, dann klingt die Quinte immer durch und erzeugt dieses »Jangling«. Es entsteht dieser unnachahmliche Sound, zumindest bei Keith.
Auf diesen beiden Saiten spielt er hoch und runter, und damit kann man eine Menge anstellen. Bei einem Gig mit den Winos wollten wir gerade mit »Before They Make Me Run« starten, und Keith setzt zum Intro an, als er plötzlich sagt: »Verdammt, ich hab vergessen, welches Intro zu dem Song gehört!« Weil er so viele Intros hat, die alle auf der gleichen Basis beruhen. Die H-Saite und die G-Saite. Oder die H-Saite und die D-Saite. Er: »Was ist das richtige, Mann? Ich blick nicht mehr durch bei den vielen Intros.« Tja, er hat eben viele Open-G-Intros auf Lager, unser wirbelnder Derwisch der Gitarrenriffs.
Als ich im Sommer 1968 Gram Parsons kennenlernte, stieß ich auf eine Musikader, die ich immer noch ausbeute. Sie erweiterte die Bandbreite meiner Musik. Es war außerdem der Beginn einer Freundschaft, bei der ich schon beim ersten Mal, als wir uns zusammensetzten und miteinander redeten, das Gefühl hatte, wir wären schon seit Urzeiten befreundet. Es war für mich wie das Wiedersehen mit einem lange verschollenen Bruder, den ich nie hatte. Gram war ein ganz besonderer Mensch, den ich immer noch vermisse. In diesem Jahr war er bei den Byrds eingestiegen. »Mr. Tambourine Man« und der ganze Kram. Sie hatten gerade ihren Klassiker Sweetheart of the Rodeo aufgenommen, und es war Gram, der sie von einer Popband in eine Countryband verwandelt und ihre Palette insgesamt enorm erweitert hatte. Die Platte verwirrte damals jeden, sollte sich jedoch als Brutstätte des Country Rock entpuppen - sie hatte gewaltigen Einfluss. Die Byrds waren gerade auf einer Tournee, die sie von London nach Südafrika führen würde. Ich ging in den Blaises Club, um sie mir anzuhören, und war auf »Mr. Tambourine Man« eingestellt. Der Gig war aber so anders, dass ich anschließend hinter die Bühne ging, wo ich zum ersten Mal Gram traf.
»Hast du was dabei?« Oder vielleicht auch etwas dezenter: »Ääh, hast du irgendwo, ääh …?« Das war wahrscheinlich das Erste, was er mich fragte. »Klar, komm mit …« Ich glaube, wir sind dann in Robert Frasers Wohnung gefahren und haben was genommen. Um die Zeit war ich schon auf Heroin. Auch ihm war das Zeug nicht unbekannt. Er nannte es »Doodgy«. Unsere Freundschaft war auf Musik gegründet, aber wir pflegten auch die gleiche Zuneigung zu der gleichen Substanz. Gram wäre gern von dem Zeug losgekommen - tja, da waren wir schon zu zweit. Er wollte immer die beste Qualität - ebenfalls wie ich. Gram
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