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Life - Richards, K: Life - Life

Titel: Life - Richards, K: Life - Life Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Richards
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beibringen konnten.
    Die Fünfsaitige führte mich zu den Stämmen Westafrikas. Sie haben ein sehr ähnliches Instrument, auch fünfsaitig, ungefähr wie ein Banjo, und sie benutzen auch diesen stehenden Ton, der das Bett für die Stimmen und Trommeln bildet. Unter allem liegt immer dieser eine Ton, die ganze Zeit. Und wenn man sich mal dieses minuziös durchkomponierte Zeug von Mozart oder Vivaldi anhört, merkt man, dass die das auch kannten. Sie wussten, wann sie eine Note einfach stehen lassen mussten, obwohl sie eigentlich nicht hingehörte. Sie ließen sie ein bisschen im Wind wehen und verwandelten so eine Leiche in eine lebendige Schönheit. Gus wies mich immer wieder darauf hin: Hör dir nur diesen Ton an, wie er mitklingt. Das ganze andere Zeug drumherum ist Schrott, aber dieser eine Ton macht es erhaben.
    Es hat was Steinzeitliches, wie wir auf pulsierende Schläge reagieren, ohne es überhaupt zu merken. Wir existieren nach einem Rhythmus von zweiundsiebzig Beats pro Minute. Abgesehen davon, dass er sie vom Delta nach Detroit brachte, wurde die Lokomotive noch aus einem anderen Grund sehr wichtig für Bluesmusiker: da war der Rhythmus der Lok, der Rhythmus der Gleise, und dann, wenn es auf ein anderes Gleis ging, der Rhythmuswechsel. Das löst etwas im menschlichen Körper aus. Du hast also diese Maschinen, Züge zum Beispiel, und ein durchgehendes Dröhnen, aber das alles steckt schon als Musik bei uns im Körper. Der menschliche Körper spürt diesen Rhythmus auch dann, wenn er gar nicht da ist. Hör dir nur mal »Mystery Train« von Elvis Presley an. Einer der größten Rock’n’Roll-Songs aller Zeiten, und ganz ohne Schlagzeug. Bloß eine Art Andeutung, weil der Körper für den Rhythmus sorgt. Eigentlich muss der Rhythmus immer nur
angedeutet werden. Er muss gar nicht extra betont werden. Und deshalb kriegen es so viele Leute auch nicht hin, egal, welchen Namen sie ihrem Rock geben. Mit dem Rock hat es nämlich gar nichts zu tun. Nur mit dem Roll.
    Durch die Beschränkung auf fünf Saiten flog das ganze Gerümpel raus. Das verhalf mir zu den Licks und brachte Struktur in das Ganze. Man kann die Melodie fast mit den Akkorden spielen, wegen der Töne, die man einfügen kann. Und plötzlich klingt es nicht mehr nur nach zwei Gitarren, sondern nach einem ganzen verdammten Orchester. Man kann gar nicht mehr genau sagen, wer was spielt, und wenn es richtig gut ist, wird sich hoffentlich niemand mehr dafür interessieren. Es ist einfach fantastisch! Es ist, als ob einem die Schuppen gleichzeitig von den Augen und den Ohren fallen. Für mich brachte es den Damm zum Bersten.
    Ian Stewart nannte uns immer liebevoll »meine kleinen Drei-Akkord-Wunderknaben«, aber das war ein Ehrentitel. Okay, das Stück hier hat drei Akkorde, ja? Also, was könnt ihr damit anstellen?
    Sag das mal John Lee Hooker; die meisten Stücke von ihm haben überhaupt nur einen Akkord. Die Sachen von Howlin’ Wolf, ein Akkord. Bo Diddley genauso. Als ich ihnen zuhörte, wurde mir klar, dass Stille wie eine Leinwand war. Sie gänzlich auszufüllen und wie wild durch die Gegend zu hetzen, war bestimmt nicht mein Ding, und es war auch nicht das, was ich gerne hörte. Mit fünf Saiten kann man sparsam umgehen; das ist dein Rahmen, damit arbeitest du. »Start Me Up«, »Can’t You Hear Me Knocking« und »Honky Tonk Women« lassen alle diese Lücken zwischen den Akkorden. Ich glaube, »Heartbreak Hotel« hat mich auf den Trichter gebracht. Es war das erste Mal, dass ich etwas so Reduziertes und doch so Kraftvolles hörte. Damals habe ich das noch nicht so klar erkannt, aber das war’s, was mich infiziert hat. Es
war diese unglaubliche Tiefe, viel besser, als alles mit Gedudel aufzufüllen. Für jemanden in meinem Alter war das damals die reinste Offenbarung. Mit der Fünfsaitigen war es, als würde man eine neue Seite aufschlagen: Jetzt kommt die nächste Geschichte. Und ich bin noch längst nicht am Ende des Buchs.
    Waddy Wachtel, Guitar Player extraordinaire und Interpret meines musikalischen Gestochers, das Ass im Ärmel der X-Pensive Winos, hat etwas zu diesem Thema zu sagen.
    Die Bühne gehört dir, Wads.
    Waddy Wachtel: Komisch, aber Keith und ich haben einen sehr ähnlichen Ansatz beim Gitarrespielen. Eines Abends saß ich mit Don Everly zusammen, der damals schwer trank. »Ich muss dich mal was fragen, Don. Ich kenne jeden Song, den ihr Jungs jemals gespielt habt.« Deshalb hatte ich den Job in ihrer Band ja auch bekommen, ich

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