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Life - Richards, K: Life - Life

Titel: Life - Richards, K: Life - Life Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Richards
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er hatte eine einzigartige Gabe, die ich bei keinem anderen Menschen erlebt habe - er konnte die Ladys zum Weinen bringen; selbst die abgebrühtesten Kellnerinnen in der Palomino Bar, die wirklich schon alles gehört hatten. Er rührte sie zu Tränen, denn er brachte ihre Melancholie und Sehnsucht zum Ausdruck. Auch Männern konnte er hart zusetzen, aber seine Wirkung auf Frauen war phänomenal. Das war kein oberflächliches Schubidu, er rührte ihre Herzen an. Sein Zugang zur weiblichen Seele war einzigartig. Meine Füße wateten in Tränen, als er starb.
    Ich kann mich gut an einen Ausflug mit Mick, Marianne und Gram nach Stonehenge erinnern. Es war früh am Morgen, Chrissie Gibbs spielte unseren Reiseführer, und Michael Cooper hat fotografiert. Die Bilder sind auch ein Zeugnis der ersten Tage meiner Freundschaft mit Gram. Gibby erinnert sich:
    Christopher Gibbs: Wir sind von irgendeinem Club in South Kensington losgefahren, sehr früh, zwei oder drei Uhr morgens, in Keiths Bentley. Von Wilsford, wo Stephen Tennant wohnte, sind wir auf einem Trampelpfad nach Stonehenge gelaufen, weil wir uns auf angemessen ehrfürchtige Weise dem Ort nähern wollten. Wir haben den Sonnenaufgang beobachtet und vor lauter Acid pausenlos geplappert. In Salisbury haben wir in einem Pub gefrühstückt. Jede
Menge Acid-Freaks saßen da rum und haben die Gräten aus ihrem Räucherfisch gepflückt. Allein die Vorstellung! Wenn man auf Acid ist, glaubt man, dass alles, was man macht, eine Ewigkeit dauert, dabei dauerte es nur dreißig Sekunden. Niemand hat jemals einen Bückling akkurater und schneller entgrätet.
    Die Mittsechziger und das Ende der Sechziger zusammenzubringen, ist schwierig, weil niemand so genau wusste, was da eigentlich vor sich ging. Ein neuer Nebel legte sich über uns, viel Energie lag in der Luft, und keiner wusste so recht, was damit anfangen. Alle waren dauernd stoned und experimentierten herum, und alle, mich eingeschlossen, hatten diese verschwommenen, halbgaren Vorstellungen im Kopf. Alles veränderte sich. »Ja, klar, aber wie und wo geht die Reise hin?«
    1968 wurde es politisch, keine Chance, dem zu entrinnen. Außerdem wurde es hässlich. Eingeschlagene Schädel. Der Vietnamkrieg hatte viel mit diesem Stimmungswandel zu tun. Bei meiner ersten Amerika-Reise hatten sie gerade die Wehrpflicht wieder eingeführt. Zwischen’64 und’66 und dann wieder’67 machte die amerikanische Jugend drastische Veränderungen durch. Und nach den Toten von Kent im Mai 1970 wurde es erst richtig finster. Die Begleiterscheinungen betrafen jeden, auch uns. Ohne den Vietnamkrieg hätte es »Street Fighting Man« nicht gegeben. Langsam sickerte die Realität ein.
    Und daraus wurde dann ein »Die gegen uns«-Ding. Ich habe nie begriffen, warum das British Empire ein paar Musiker drangsalieren wollte. Wo war die Bedrohung? Die haben Kriegsschiffe und Armeen, und dann hetzen sie ihre bösen kleinen Soldaten auf ein paar harmlose Musiker? Für mich war das der erste Beleg dafür, wie verunsichert Establishment und Regierung tatsächlich waren.
Und wie empfindlich sie auf etwas eigentlich Triviales reagieren können. Haben sie eine Bedrohung erst mal ausgemacht, dann suchen sie nach dem Feind im Innern und erkennen nicht, dass sie oft selbst die Bedrohung sind. Wir mussten die Unterhaltungsindustrie angreifen, erst danach nahm uns die Regierung ernst, nach »Street Fighting Man«.
    Einen Eindruck von dieser Zeit bekommt man in The Rolling Stones: Der Tanz mit dem Teufel von unserem Freund Stanley Booth - unserem Hofberichterstatter bei den frühen Tourneen. Er stolperte über einen Flyer aus den späten Sechzigern oder frühen Siebzigern, der verkündete: »Die Schweine haben mitgekriegt, dass wir eure Musik auf unseren kleinen Kofferradios hören. Sie wissen, dass sie dem Blut und dem Feuer der anarchistischen Revolution nicht entgehen werden. Wir brennen die Gefängnisse nieder, befreien die Gefangenen und füttern die Armen. Und währenddessen, liebe Rolling Stones, werden wir eure Musik mit Rock’n’Roll-Marschkapellen spielen. Tätowiert Burn, Baby, Burn auf die Ärsche der Wärter und Generäle!«
    Das war »Street Fighting Man« oder »Gimme Shelter« auf die Spitze getrieben. Kein Zweifel, eine eigenartige Generation. Das Verrückte ist, dass ich dazugehörte, aber plötzlich von einem Beteiligten zu einem Beobachter wurde. Ich habe viele aus dieser Generation aufwachsen und viele von ihnen sterben sehen. Als ich das erste

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