Life - Richards, K: Life - Life
Gesängen und dergleichen zu hören bekommt. Und es ist diese bizarre Mischung aus herkömmlichem Rock’n’Roll und dem seltsamen Echo einer sehr, sehr alten Musik, die älter ist als man selbst, unfassbar! Es ist, wie wenn du dich plötzlich an etwas Bestimmtes erinnerst, von dem du gar nicht weißt, wo es eigentlich herkommt.
Aber wenigstens weiß ich, woher der Text dazu stammte. Er entstand in einer grauen Morgendämmerung in Redlands. Mick und ich waren die ganze Nacht auf gewesen, draußen regnete es, und dann hörte man plötzlich das Stampfen der schweren Gummistiefel meines Gärtners vor dem Fenster. Jack Dyer, ein echter Bauer aus Sussex. Mick ist davon aufgewacht. Er sagte: »Was ist das denn?« Ich sagte: »Das ist bloß Jack. Jumping Jack.« Ich begann auf meiner Gitarre, die auf Open G gestimmt war, herumzuspielen und sang dazu die Worte »Jumping Jack«. Mick ergänzte: »Flash«, und plötzlich hatten wir diese Phrase, die einen Rhythmus hatte und ins Ohr ging. So setzten wir uns also hin und schrieben das Lied zusammen.
Jedes Mal, wenn ich »Flash« spiele, kann ich hören, wie die Band hinter mir abhebt, als ob sich ein Turbo zuschaltet. Man stürzt sich auf das Riff, aber das Riff spielt mit dir . Alles klar, Zündung? Okay, dann los. Daryl Jones steht neben mir am Bass. »Was spielen wir jetzt, ›Flash‹? Okay, dann one, two, three …« Und von da an brauchst du dich nicht mehr nach den anderen umzusehen, denn du weißt, jetzt läuft’s. Und du spielst es jedes Mal anders, je nachdem, in welchem Tempo du gerade bist.
Der Begriff Levitation beschreibt noch am ehesten das, was ich fühle, wenn ich merke, jetzt habe ich das richtige Tempo, und die Band folgt mir - ganz gleich, ob es sich um »Jumpin’ Jack Flash« oder »Satisfaction« oder »All Down the Line« handelt. Es ist, als ob man in einem Learjet abhebt. Als würden meine Füße den Boden nicht mehr berühren. Ich werde in diese andere Ebene entführt. Manchmal fragen mich die Leute: »Warum hörst du eigentlich nicht auf?« Aber ich kann die Beine nicht hochlegen, nicht bevor ich den Löffel abgebe. Ich fürchte, sie verstehen nicht, wie sehr ich das brauche. Ich tu es nicht einfach des Geldes wegen. Ich tu es nicht für euch. Ich tu es für mich.
Ende 1968 oder Anfang’69 machte ich eine ungeheure Entdeckung, als ich mit der offenen Stimmung mit fünf Saiten zu spielen begann. Das hat mein Leben verändert. Mit Open Tuning spiele ich die Riffs und die Songs, für die die Stones vor allem bekannt sind - »Honky Tonk Women«, »Brown Sugar«, »Tumbling Dice«, »Happy«, »All Down the Line«, »Start Me Up« und »Satisfaction«. »Flash« gehört auch dazu.
Ich war in einer Sackgasse gelandet. Lange dachte ich, dass ich mit der normalen Konzertstimmung nicht mehr weiterkommen würde. Ich lernte nichts mehr dazu, und ich bekam einfach nicht die Sounds, die ich haben wollte. Ich hatte bereits eine ganze Zeit mit verschiedenen Stimmungen herumexperimentiert. Ich veränderte
sie immer dann, wenn ich an einem Song arbeitete, den ich bereits in meinem Kopf hören konnte, den ich aber beim besten Willen mit der konventionellen Stimmung nicht hinbekam. Außerdem orientierte ich mich zurück: Ich wollte das nutzen, was viele alte Blues-Gitarristen spielten, und es auf die E-Gitarre übertragen. Dabei wollte ich deren Einfachheit und Direktheit bewahren - diesen pumpenden, vorwärtstreibenden Rhythmus, den man bei den akustischen Blues-Gitarristen hört. Diesen reduzierten, eindringlichen, kraftvollen Sound.
Und dann entdeckte ich das Banjo. Das Spiel auf fünf Saiten hatte viel mit dem Versandhandel Sears, Roebuck and Company zu tun, der eine Gibson-Gitarre ganz am Anfang der Zwanziger sagenhaft günstig anbot. Davor verkaufte sich unter den Instrumenten das Banjo am besten. Gibson brachte eine wirklich günstige Gitarre raus, die außerdem noch sehr gut war, und da die Jungs alle auf dem Banjo gelernt hatten, stimmten sie die Gitarre wie das fünfsaitige Banjo. Außerdem sparte man sich so das Geld für die sechste Saite, die dicke. Oder man hob sie sich für den Fall auf, dass man seine Alte aufknüpfen wollte oder dergleichen. In Amerika kauften sie auf dem flachen Land alle aus dem Katalog von Sears. In den großen Städten konnte man sich alles vor Ort ansehen und die Preise vergleichen. Im Bibelgürtel, im ländlichen Amerika, im Süden, in Texas und im Mittleren Westen gab es dafür den Katalog von Sears, wo man alles
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