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Life - Richards, K: Life - Life

Titel: Life - Richards, K: Life - Life Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Richards
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ließen wir unseren großen neuen Sound mit den offen gestimmten Gitarren auf das Publikum los. Die stärkste Reaktion kam von Ike Turner - genau wie ich war er sofort Feuer und Flamme. Ich glaube, es war in San Diego, als er mich fast schon mit Waffengewalt in seine Umkleide schleppte. »Du zeigst mir jetzt dieses Fünf-Saiten-Ding.« Eine Dreiviertelstunde oder so saßen wir zusammen, in der ich ihm die Grundlagen beibrachte. Das Ergebnis war Ikes und Tinas wunderbares Album Come Together , das komplett mit fünf Saiten eingespielt wurde. Nach dieser Dreiviertelstunde hatte er es raus, es ging ihm direkt in Fleisch und Blut über. Während ich mir die ganze Zeit sagte, Mann, ich soll Ike Turner was beibringen? Unter Musikern herrscht eine seltsame Mischung aus Bewunderung, Respekt und gegenseitiger Akzeptanz. Irgendwann kommen diese Typen an, Typen, die du dir seit Jahren anhörst, und meinen, hey, zeig mir doch mal diesen Lick - da wird dir klar, dass du endgültig erwachsen geworden bist. Okay, sagst du dir, ich kann es zwar nicht glauben, aber offenbar gehöre ich jetzt zur allerersten Garde, zu den Besten überhaupt. Alles beruht auf Gegenseitigkeit - man ist großzügig zueinander, zumindest die meisten. Wie kriegst du dieses kleine Saitenknallen hin? Woher hast du das? Komm, ich zeig’s dir. Es gibt kaum Geheimnisse, alle tauschen ihre Ideen aus - ich finde das großartig! Wenn man weiß, wie es geht, ist es meistens ganz einfach.
    Als wir Anfang Dezember in den Muscle Shoals Sound Studios in Sheffield, Alabama, landeten, lief die Band wie eine gut geölte Maschine auf höchster Betriebstemperatur. Wir standen voll im Saft. Die Tournee war zu Ende; das heißt, nicht ganz zu Ende, denn auf uns wartete noch der Altamont Speedway. Aber der war erst in ein paar Tagen dran. In diesem perfekten Acht-Spur-Studio in Muscle Shoals nahmen wir »Wild Horses«, »Brown Sugar« und
»You Gotta Move« auf, drei Tracks in drei Tagen. Eine perfekte Arbeitsweise - man ging rein und spielte seinen Take ein, ganz schlicht, ohne langes Herumgemache. Kein »Oh, könnten wir den Bassamp nicht mal dort aufbauen?« Einfach rein, loslegen und fertig. Das Studio war ein Schuppen am Ende der Welt und zugleich allererste Sahne. Roger Hawkins, Jimmy Johnson und ein paar andere großartige Südstaatenkerle und namhafte Musiker waren Gründer und Besitzer. Zuvor hatten sie in der Muscle Shoals Rhythm Section gespielt, die wiederum Teil der Hausband in Rick Halls FAME Studios im eigentlichen Muscle Shoals war. Das Studio hatte bereits einen legendären Ruf, weil dort seit Jahren regelmäßig fantastische Soulplatten aufgenommen worden waren - Wilson Pickett, Aretha Franklin oder »When a Man Loves a Woman« von Percy Sledge. Heiliger Boden also, auf dem wir uns wie bei Chess Records fühlten, obwohl wir ursprünglich in Memphis und nicht hier in der tiefsten Provinz hatten aufnehmen wollen. Aber wir sollten uns lieber anhören, was der selige Jim Dickinson, der auf »Wild Horses« Klavier spielt, dazu zu sagen hat. Jim war ein waschechter Südstaatenbursche, der wusste, wie man eine Geschichte erzählt.
    Jim Dickinson: Diesen Teil der Geschichte kennt kein Mensch, weil nicht mal Stanley Booth in seinem Buch davon erzählt hat - warum auch immer, denn ohne ihn wären die Stones nie in Muscle Shoals gelandet. Stanley, der wegen der Biografie mit auf Tour war, rief mich mitten in der Nacht an. Meine Frau und ich hatten ihn kennengelernt, als wir uns das Konzert in Auburn angesehen hatten. Damals hatten wir gedacht, die Sache wäre damit erledigt, bis er eben eine oder anderthalb Wochen später anrief und meinte, ob die Stones irgendwo in Memphis aufnehmen könnten? Nach Ende der
Tour hätten sie noch drei Tage Zeit, sie wären richtig heiß, und neues Material hätten sie auch. Aber da war die American Federation of Musicians im Wege. Als ausländische Band bekam man damals entweder eine Erlaubnis zum Touren oder für Aufnahmen - beides war nicht drin. Und man hatte ihnen schon verboten, in Los Angeles aufzunehmen. Soweit ich weiß, war Leon Russell von der Musikergewerkschaft zu einem Bußgeld verdonnert worden, als er ihnen eine Session in L. A. verschaffen wollte. Egal, auf jeden Fall suchten sie jetzt nach einem Studio, wo sie unbemerkt von der Gewerkschaft aufnehmen konnten, und da hatten sie eben an Memphis gedacht. Aber auch die Beatles hatten das schon versucht, und zwar bei Stax, und waren an irgendwelchen versicherungstechnischen

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