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Life - Richards, K: Life - Life

Titel: Life - Richards, K: Life - Life Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Richards
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Wahrscheinlich lag es daran, dass er damit seinen Gefühlen Ausdruck verlieh. Ich habe ihn geliebt, ich habe es geliebt, mit ihm zusammenzuarbeiten - doch gleichzeitig war er sehr schüchtern und distanziert. Wenn wir spielten oder irgendwas ausheckten, öffnete er sich manchmal ein bisschen, und dann konnte er auch überaus witzig sein. Aber irgendwie blieb er immer der Mick Taylor, den ich bei unserer ersten Begegnung kennenlernte. Ich kam nicht näher an ihn ran. In Gimme Shelter sieht man es auf der Leinwand - sein Gesicht bleibt völlig ausdruckslos. Er rang mit sich selbst, irgendwo in seinem Inneren. Bei solchen Typen ist nicht viel zu machen,
man kann sie nicht aus sich herausholen. Sie müssen den Kampf mit ihren Dämonen allein austragen. Vielleicht schaffst du es für ein, zwei Stunden, vielleicht für einen Abend oder eine Nacht, aber am nächsten Morgen geht das Gegrübel wieder los. Nicht gerade der große Spaßvogel, könnte man wohl sagen. Aber solchen Leuten darfst du nicht auf die Pelle rücken. Irgendwann hast du es kapiert: Okay, über den werde ich nie mehr erfahren als am allerersten Tag. So ist das manchmal. Mit manchen Leuten kannst du einen Tag verbringen und weißt dann alles über sie, was du je erfahren wirst. Wie bei Mick Jagger, nur genau andersrum.
     
    Zwei oder drei Wochen vor seinem Tod war Brian bei uns rausgeflogen. Der Konflikt hatte sich zugespitzt, bis Mick und ich zum Winnie-Puh-Haus fahren mussten - also zur Cotchford Farm, die früher A. A. Milne gehörte, und die Brian vor kurzem erworben hatte. Große Lust hatten wir nicht, aber wir gingen die Sache gemeinsam an: »Hey, Brian, Kumpel … es ist aus!«
    Kurz darauf kam der Anruf. Wir waren gerade im Studio, mit Mick Taylor. Bis heute existiert eine anderthalbminütige Aufnahme des Stevie-Wonder-Songs »I Don’t Know Why«, die von einem Telefonanruf unterbrochen wird. Die Nachricht von Brians Tod.
    Ich kannte Frank Thorogood, der »auf dem Totenbett« gestanden hat, Brian Jones umgebracht zu haben. Er hatte ihn angeblich im Swimmingpool ertränkt. Und tatsächlich, ein paar Minuten, nachdem Brian das letzte Mal lebend gesehen worden war, wurde er dort tot aufgefunden. Aber solche Geständnisse auf dem Totenbett sind mir nicht ganz geheuer. Es gibt immer nur einen Zeugen, nämlich die Person, die das Geständnis gehört haben will, also irgendeinen Onkel, irgendeine Tochter oder was weiß ich. »Auf dem Totenbett hat er gestanden, Brian umgebracht zu haben.« Keine Ahnung, ob das stimmt. Brian litt unter schwerem Asthma
und schluckte Quaaludes und Tuinals - keine gute Idee vor dem Schwimmengehen. An dem Zeug kann man leicht ersticken. Auf jeden Fall hatte er ordentlich Beruhigungsmittel intus. Zugegeben, er konnte einiges vertragen, aber wenn man das gerichtsmedizinische Gutachten hinzunimmt, das ihm Brustfellentzündung, Herzvergrößerung und eine kaputte Leber bescheinigte …
    Andererseits könnte Brian durchaus so unausstehlich zu Thorogood und den Bauarbeitern gewesen sein, die an seinem Haus herumwerkelten, dass sie ihn ein bisschen ärgern wollten. Und dann ist er eben untergegangen und nicht wieder aufgetaucht. Aber »Ich habe Brian getötet« ist ein bisschen viel. Bestenfalls Totschlag, würde ich sagen. Meinetwegen hast du ihn unter Wasser gedrückt, aber du bist doch nicht bei ihm aufgekreuzt, um ihn zu ermorden. Der ewig jammernde Hurensohn ist jemandem auf die Nerven gegangen, und Schluss. Selbst wenn er allein gewesen wäre, es hätte nichts geändert. An diesem Punkt in Brians Leben hatte es längst keinen Sinn mehr.
    Drei Tage später, am 5. Juli, hatten wir unseren ersten Gig seit über zwei Jahren: ein kostenloses Konzert im Hyde Park vor einer halben Million Menschen. Eine Hammershow! Uns ging vor allem durch den Kopf, dass wir seit Ewigkeiten nicht mehr aufgetreten waren und noch dazu einen neuen Mann an Bord hatten - Mick Taylor. Egal, wir zogen es durch. Natürlich mussten wir uns irgendwie zu Brians Tod äußern, und so inszenierten wir das Ganze als Gedenkfeier für ihn. Wir wollten ihm einen stilvollen Abgang bereiten. Klar, wir hatten gute und schlechte Zeiten erlebt, aber wenn es zu Ende geht, sollte man die Friedenstauben fliegen lassen. Beziehungsweise in diesem Fall säckeweise weiße Schmetterlinge.
     
    Im November’69 ging es mit Mick Taylor auf Tour durch die USA. Unsere Vorgruppen hätten auch ohne uns ein heißes Programm
abgeliefert: B.B. King und Ike and Tina Turner. Zum ersten Mal

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