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Life - Richards, K: Life - Life

Titel: Life - Richards, K: Life - Life Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Richards
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eine Strophe. Als drei Seiten voll waren, gingen die Aufnahmen los. Wahnsinn!
    Wenn man die Ohren spitzt, hört man ihn »Skydog slaver« singen (obwohl die Lyrics immer mit »scarred old slaver« abgedruckt werden). Was soll das heißen? Tja, »Skydog« war Duane Allmans Spitzname in Muscle Shoals, weil er andauernd high war. Jagger bekam das irgendwo mit, fand das Wort cool und baute es ein. Sein Text handelte unmittelbar vom Süden - wie es war, dort zu sein. Es war unglaublich, ihm beim Schreiben zuzuschauen. Bei »Wild Horses« lief es genauso. Keith hatte den Song als Schlaflied angelegt. Es ging um Marlon, darum, dass er wegen seinem Sohn nicht von zu Hause weg wollte. Aber nachdem Jagger drübergegangen war, schien der Song plötzlich von Marianne Faithfull zu handeln. Jagger hat einfach über sein Mädchen geschrieben, wie ein Junge von der Highschool. Dafür nahm er sich ein bisschen mehr Zeit als für »Brown Sugar«, aber nicht viel. Vielleicht eine Stunde.
    Wie das lief? Also, Keith hatte sich ein paar Worte einfallen lassen, aber dann grunzte und ächzte er nur noch. »Verstehst
du das?«, wollte irgendwer von Mick wissen. Jagger schaute ihn an: »Klar.« Wirklich, es war, als würde er nur übersetzen.
    Es war einzigartig, wie sie dann die Stimmen aufnahmen. Bei allen drei Songs standen Mick und Keith nebeneinander, reichten eine Flasche Bourbon hin und her und sangen Lead-und Harmoniestimme in ein einziges Mikro. Das war am letzten Tag. Sie rissen es einfach runter, fast schon ein Kampf gegen die Uhr.
    Von Muscle Shoals ging es zum Altamont Speedway - auf den siebten Himmel folgte die Farce.
    Altamont war vor allem deshalb ein merkwürdiges Erlebnis, weil wir nach der Tour und der Zeit im Studio eigentlich ziemlich locker drauf waren. Ein kostenloses Konzert? Warum nicht? Die Leute hatten zweifellos ein Dankeschön verdient. An dem Punkt kamen die Grateful Dead ins Spiel; wir hatten uns selbst an sie gewandt, weil sie Erfahrung mit so was hatten. Wir klinkten uns einfach in ihr Netzwerk ein: Was meint ihr, kriegen wir das hin - eine Show in zwei oder drei Wochen? Ursprünglich hätte Altamont überhaupt nicht in Altamont stattfinden sollen. Wäre das dickköpfige, strunzdumme San Francisco Council nicht ganz so bescheuert gewesen, wäre es anders gekommen. An sich wollten wir in San Franciscos Golden Gate Park spielen, die Bühne stand sogar schon - als sie uns plötzlich Lizenz und Genehmigungen entzogen und das Ding wieder abrissen. Tja, hieß es plötzlich, spielt ihr eben woanders. Derweil brüteten wir irgendwo in Alabama über unseren Tracks und sagten bloß: Regelt ihr das mal, wir kommen nach und gehen auf die Bühne.
    Schließlich blieb nur noch die Rennstrecke in Altamont übrig, irgendwo in der hinterletzten Wildnis. Außer den Hells Angels gab es keinerlei Security, und von »sicher fühlen« konnte man bei denen
auch nicht sprechen. Was soll’s, wir befanden uns im Jahr’69, ein bisschen Anarchie war an der Tagesordnung. Polizisten waren rar gesät. Nach meinen Beobachtungen kamen auf eine halbe Million Menschen etwa drei Cops. Vielleicht waren es auch ein paar mehr, aber sie sprangen einem nicht gerade ins Auge.
    Innerhalb von zwei Tagen schoss eine riesige Kommune aus dem Boden. Alles sehr mittelalterlich, Typen mit Glöckchen am Wams, die »Haschisch, Peyote« sangen. In Gimme Shelter kommt das alles gut rüber - der Höhepunkt des Hippie-Traums und eine Demonstration seines zerstörerischen Potenzials. Ich hab bloß gestaunt, dass es nicht noch übler wurde.
    Nur Meredith Hunter wurde ermordet. Drei andere starben durch unglückliche Umstände. Bei einer Show dieser Größenordnung können sich die Verluste auch schon mal auf vier oder fünf Menschen belaufen. Zu Tode getrampelt oder erstickt. Zum Beispiel bei einem völlig regulären Gig von The Who - elf Tote. Doch in Altamont kam die dunkle Seite der menschlichen Natur zum Vorschein, das Herz der Dunkelheit. Eine massenhafte Rückentwicklung zum Höhlenmenschen, und zwar binnen Stunden. Wem hatten wir das zu verdanken? Sonny Barger und Co., den Angels. Schlechtem Rotwein - Thunderbird und Ripple, der übelste, beschissenste Fusel, den man sich vorstellen kann. Und schlechtem Acid. Für mich war der Traum damit beendet. Klar, es gab eine Art »Flower Power«, die Energie ließ sich nicht verleugnen, auch wenn wir nicht viel davon mitbekommen hatten. Zwischen’66 und’70, ja sogar noch später, muss es ziemlich cool gewesen sein,

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