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Life - Richards, K: Life - Life

Titel: Life - Richards, K: Life - Life Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Richards
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keine Gelegenheit dazu. Deshalb war es umso wichtiger, mit Dickinson zusammenzuarbeiten, ein Gefühl für den Süden zu bekommen und zu merken, dass wir hier vorbehaltlos akzeptiert wurden.
Und ihr seid aus London? , fragten sie. Verdammt, wo habt ihr so spielen gelernt?
    Außer den Rolling Stones, Ian Stewart und eben Jim Dickinson waren keine Musiker vor Ort. Jim war ziemlich irritiert, als er am dritten Tag, bei unserem Durchlauf von »Wild Horses«, plötzlich den Vortritt vor Ian bekam. »Wild Horses« begann mit einem h-Moll-Akkord, und Stu weigerte sich kategorisch, Moll-Akkorde zu spielen. »Scheiß Chinesenmusik«, meinte er dazu. Von daher bekam Dickinson den Job.
    »Wild Horses« hat sich fast von selbst geschrieben. Wie so oft lag der Schlüssel darin, ein bisschen an der Gitarrenstimmung rumzuschrauben. Ich war über ein paar Akkorde gestolpert, die dem Song einen ganz bestimmten Klang und Charakter verliehen - vor allem auf der zwölfsaitigen Gitarre, die eine gewisse Verlorenheit erzeugen kann. Soweit ich mich erinnere, fing ich auf einer normalen Sechssaitigen mit Open-E-Tuning an. Das klang schon sehr nett, aber manchmal spinnt man halt ein bisschen weiter rum. Wie wohl eine Zwölfsaitige mit offener Stimmung klang? Eigentlich übersetzte ich nur Blind Willie McTells Markenzeichen, die zwölfsaitige Slide-Gitarre, in einen Fünf-Saiten-Modus - was auf eine zehnsaitige Gitarre hinauslief. Mittlerweile besitze ich ein paar Spezialanfertigungen.
    Es war einer dieser magischen Momente. Plötzlich macht es Klick, wie damals bei »Satisfaction« - ein Traum, du wachst auf, und alles liegt ausgebreitet vor dir. Okay, weiter. Du stellst dir also ein paar wilde Pferde vor. Was kommt danach? Keine Frage: »couldn’t drag me away«. Das ist mit das Tolle am Songwriting - es geht nicht um Intellekt. Vielleicht musst du hier und da das Hirn einschalten, aber im Wesentlichen musst du den Moment einfangen. Der gute Jim Dickinson, der verstorben ist, während
ich dieses Buch schrieb (am 15. August 2009), wird weiter hinten erklären, wovon der Song »handelt«. Ich bin mir da ja nicht so sicher. Auch wenn man manchmal, im Rückblick, eine gewisse Ähnlichkeit dazu einräumen muss, hat Songwriting meiner Meinung nach nichts mit Tagebuchschreiben zu tun.
    Warum setzt man sich hin und schreibt einen Song? Vielleicht weil man wachsen will, in das Herz eines anderen Menschen hinein. Weil man sich dort einnisten will oder zumindest eine Reaktion hervorrufen, eine Resonanz. Andere Menschen zu berühren, kann zur Leidenschaft werden. Wenn man einen Song schreibt, der sich in den Köpfen festsetzt, der bis ins Herz reicht, hat man eine echte Verbindung hergestellt. Gemeinsamkeiten finden, das ist das Entscheidende - das Motiv, das uns alle erreicht, das uns alle ins Herz trifft. Beim Songwriting geht es primär darum, die Leute in ihrem Innersten zu berühren, sie emotional durchzuschütteln, ohne dass sie gleich einen Herzinfarkt erleiden.
    Dickinson hat mir ins Gedächtnis gerufen, wie schnell wir damals gearbeitet haben. Wir waren gut drauf, kamen direkt von der Bühne. Trotzdem: »Brown Sugar« und »Wild Horses« wurden Jim zufolge in zwei Takes aufgenommen - völlig unvorstellbar heutzutage. Später wühlte ich mich durch vierzig, fünfzig Versionen desselben Songs, immer auf der Suche nach dem gewissen Etwas. Aber wenn man nur über acht Spuren verfügte, hieß es: reingehen und reinhauen. Für die Stones war das perfekt. Schon wenn du das Studio betrittst, weißt du, wo die Drums hinkommen und wie sie klingen werden. Später gab es sechzehn oder vierundzwanzig Spuren, man musste um gewaltige Mischpulte herumturnen, und die Aufnahmen gingen immer schwerer von der Hand. Die Leinwand wurde größer und größer, bis man sich kaum mehr auf das Werk konzentrieren konnte. Für eine vier-, fünf- oder sechsköpfige Band finde ich acht Spuren immer noch am besten.

    Man könnte diese Session fast als historisch bezeichnen, denn diese Songs spielen wir noch heute. Hören wir also ein letztes Mal, was Jim dazu zu sagen hatte.
    Jim Dickinson: Am ersten Abend fingen sie an, »Brown Sugar« zu spielen, brachten aber noch keinen Take zustande. Ich sah zu, wie Mick die Lyrics schrieb. Es war kaum zu fassen, er schrieb sie einfach runter, so schnell seine Hand nachkam. So was hatte ich noch nie gesehen. Er hatte einen gelben Schreibblock dabei und kritzelte immer nur eine Strophe pro Seite hin. Eine Strophe, umgeblättert, noch

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