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Life - Richards, K: Life - Life

Titel: Life - Richards, K: Life - Life Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Richards
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hielt sie Ausschau nach Notsignalen, falls uns der Sprit ausging. Ich dachte mir nur, okay, wenn die einen verdammten Flugzeugträger in die Bucht lenken können, schaffe ich das auch. Erst im Hafen, beim Anlegen, passte ich auf - Wsserfahrzeuge vertragen sich nicht mit dem Festland. Ansonsten beschäftigte ich mich kaum mit der hohen Kunst der Seefahrt, ich wollte einfach bloß meinen Spaß haben.
    Der ausgedehnte Hafen von Villefranche war der Lieblingsspielplatz der US-Navy. Eines Tages ankerte tatsächlich ein fetter Flugzeugträger in der Bucht - die Navy auf einem Höflichkeitsbesuch. Ihre übliche sommerliche Werbetour, das Mittelmeer rauf und runter. Wir, Bobby Keys und ich, waren gerade am Ablegen, als auf einmal eine dicke Marihuanawolke herüberwehte, direkt aus einem Bullauge. Nach dem Frühstück kamen wir noch einmal zurück,
kreisten in meiner kleinen Mandrax um den Flugzeugträger und beguckten uns die vielen Soldaten, die heilfroh waren, nicht mehr in Vietnam zu sein. Ich hielt die Nase in die Luft. »Hey, Jungs! Was duftet denn da …« Und schon warfen sie uns eine Tüte Gras zu. Im Gegenzug verrieten wir ihnen, welches Puff am besten war: die Cocoa Bar, und das Brass Ring war auch nicht schlecht.
    Wenn die Flotte aufkreuzte, erstrahlten die düsteren Straßen von Villefranche im hellsten Licht. Wie in Las Vegas. Hier das Café Dakota, dort die Nevada Bar - egal, Hauptsache es klang irgendwie amerikanisch. Wie wäre es mit dem Texan Hang? Auf einmal erwachte das verschlafene Kaff zum Leben. Überall Neonlichter, Lichterketten. Aus Nizza und Monte Carlo rollten die Nutten an, dazu sämtliche Huren, die Cannes zu bieten hatte. So ein Flugzeugträger hat gut zweitausend Mann an Bord, zweitausend geile, gierige Typen. Da kam die gesamte Südküste angerannt - und kurz darauf herrschte wieder tote Hose.
     
    Als Exile on Main St. rauskam, waren die Leute zuerst gar nicht so begeistert - umso erstaunlicher, dass die Musik, die wir in diesem Verlies produziert haben, noch heute gehört wird. Mit der Neuauflage im Jahr 2010 wurden auch die Songs veröffentlicht, die es nicht auf die Platte geschafft hatten. Heute sind die Aufnahmen fast vierzig Jahre alt. Damals, 1971, konnte man sich vierzig Jahre alte Musik kaum anhören, schon allein von der Tonqualität her. Höchstens frühen Louis Armstrong oder Jelly Roll Morton. Erstaunlich, wie so ein Weltkrieg die Wahrnehmung verändert.
    »Rocks Off«, »Happy«, »Ventilator Blues«, »Tumbling Dice«, »All Down the Line« - mehr fünfsaitige, offen gestimmte Gitarre geht nicht. Nach und nach entwickelte ich ein unverkennbares Markenzeichen. Die Songs schrieben sich in ein paar Tagen, auf der Fünfsaitigen flossen sie mir nur so aus den Fingern. Meine
ersten richtigen Erfahrungen auf der Fünfsaitigen hatte ich ein paar Jahre zuvor mit »Honky Tonk Women« gesammelt. Da dachte ich mir noch: So, so, interessant. Zwischendurch kam »Brown Sugar«, das im Monat unseres Abschieds von der Heimat erschienen war. Dann, als die Arbeit an Exile losging, entdeckte ich auf einmal lauter neue Kniffe - zum Beispiel, wie ich Mollakkorde oder Vorhaltakkorde spielte. Mit Kapodaster wurde die Sache noch spannender - die Finger haben zwar weniger Spielraum, vor allem wenn man den Kapo am fünften oder siebten Bund ansetzt, aber man erhält einen ganz besonderen Klang, eine einzigartige Resonanz. Man muss nur wissen, wann es passt und wann es zu viel wird.
    Wenn Mick mit einem Song ankam, fing ich nicht gleich auf der Fünfsaitigen an. Zunächst tastete ich mich ganz klassisch auf der normal gestimmten Gitarre heran. Erst später, wenn Charlie den Rhythmus ein bisschen beschleunigte oder den Ausdruck veränderte, probierte ich es doch mal auf der Fünfsaitigen. Mal sehen, wie sich das Gebilde dadurch verändert. Durch die Beschränkung wird der Sound natürlich erst mal ein Stück vereinfacht. Aber im besten Fall, »Start Me Up« ist so ein Beispiel, hebt dieses Tuning den ganzen Song heraus. Ich hab Millionen Bands gesehen, die den Song auf normal gestimmten Gitarren spielen wollten. Keine Chance, Kumpel.
    Wir hatten eine Menge Zeug mitgebracht, das schon seit längerem am Gären war. Ich delegierte Songtitel und Ideen: »Mick, der hier heißt ›All Down the Line‹: I hear it coming, all down the line … Jetzt bist du dran.« Tagtäglich brütete ich neue Songs aus. Der eine funktionierte, der nächste nicht. Mick hielt mit - er produzierte Songtexte am laufenden Band,

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