Life - Richards, K: Life - Life
Tony um den anderen. Schließlich kam er mir zu Hilfe, doch meiner machte sich eh schon in die Hosen. Tony verpasste ihm noch einen Klaps auf den Hinterkopf. »Hauen wir ab.« Damit trat er die Tür auf, und es war überstanden. Das Ganze hatte keine Minute gedauert. Die beiden wälzten sich ächzend auf dem Boden, zwischen zertrümmerten Möbeln und Weinlachen. Unser Gegenangriff hatte sie eiskalt erwischt. Das waren richtige Kerle, Seemänner, keine Schlappschwänze. Die wollten Stress machen, die Fäuste schwingen, ihren Spaß haben mit den langhaarigen Freaks. Marlon saß im Jaguar und starrte mich an. »Wo warst du, Dad?« - »Ist alles gut, mach dir keine Sorgen. Los geht’s.« Und wuuuusch , nichts wie weg. Aber diese Moves, die Spanish Tony draufhatte! Fast schon wie Ballett. An diesem Tag war er in Bestform - Douglas Fairbanks
war nichts dagegen. Die schnellsten Bewegungen, die ich je gesehen habe, und ich hab einiges gesehen. Tony hatte mir ein paar wichtige Lektionen erteilt. Zum Beispiel: Wenn du Gefahr witterst, mach nicht lang rum. Sondern ergreif die Initiative.
Drei Tage später standen die Cops vor der Tür. Der Haftbefehl richtete sich nur gegen mich; Tony, der sowieso schon zurück in England war, kannte hier kein Mensch. Es folgte ein endloser Zirkus mit den Herren Untersuchungsrichtern, bis ihnen in zweiter oder dritter Instanz klarwurde, dass die Gegenseite nichts in der Hand hatte. Irgendwann lagen die Tatsachen auf dem Tisch: Sie hatten uns eingeschüchtert, wir hatten ein Kind im Wagen gehabt, sie hatten uns völlig grundlos in dieses Büro geschleppt … damit waren die Vorwürfe wie weggeblasen. Zweifellos musste ich dem Anwalt ein bisschen Kohle in den Rachen werfen, aber letztendlich hatten die Jungs wenig Lust darauf, ihre Geschichte vor Gericht zu erzählen. Wer gesteht schon gerne, dass er sich in seinem eigenen Büro von zwei wild gewordenen Engländern hat verprügeln lassen?
Bei meiner Ankunft in Nellcôte war ich nicht unbedingt durch und durch clean. Aber »nicht clean« und »süchtig« sind zwei Paar Schuh. Ein Süchtiger ist handlungsunfähig, solange er keinen frischen Stoff hat. Deine ganze Energie geht dafür drauf. Ich hatte zwar einen kleinen Vorrat mitgebracht, damit ich mein Level halten konnte, aber ansonsten hatte ich gerade einen Entzug hinter mir und hielt mich für clean. Im Mai, wir waren erst seit kurzem in Frankreich, fuhren wir zu einer Gokart-Bahn in Cannes. Mein Kart überschlug sich und schleifte mich knappe fünfzig Meter über den Asphalt - auf dem Rücken, wo sich die Haut abpellte wie Baumrinde, fast bis auf den Knochen. Genau das Richtige, wenn du eine Platte aufnehmen willst. Ich ging zum Arzt. »Das wird ziemlich schmerzhaft, Monsieur. Wir müssen die Wunde sauber
halten. Ich schicke Ihnen einen Pfleger, der sie täglich kontrolliert und neu verbindet.« Der Pfleger, der jeden Morgen auftauchte, war früher mit der französischen Armee an der Front gewesen. Zum Beispiel in ÐiệnBiên Phu, bei der verheerenden Niederlage im Indochinakrieg, und in Algerien. Er hatte eine Menge Blut gesehen und pflegte einen entsprechend rustikalen Arbeitsstil. Ein kleiner, hutzeliger Typ, aber beinhart. Jeden Tag gab er mir eine Morphinspritze, die ich auch bitter nötig hatte; danach schleuderte er die Spritze jedes Mal wie einen Dart auf ein Gemälde. Und jedes Mal auf dieselbe Stelle, mitten ins Auge. Aber irgendwann war die Behandlung zu Ende, und ich war wieder auf Morphium. So viel zu meinem Entzug. Egal, jetzt musste erst mal Stoff rangeschafft werden.
Fat Jacques, unser Koch, fungierte von nun an auch als Heroindealer. Er war unsere Connection nach Marseille, er und seine Kumpane, eine Bande Cowboys. Besser, sie arbeiteten für als gegen uns. Ihre Spezialität waren »Botengänge«. »Wer kann mir sagen, wie ich hier an Stoff komme?«, hatte ich gefragt, und da hatte sich Jacques gemeldet. Der junge, fette, verschwitzte Jacques, der sich eines Tages in den Zug nach Marseille setzte und mit einem wunderschönen Beutelchen weißem Pulver zurückkehrte, nebst einem Riesenvorrat Laktose zum Verschneiden, fast so groß wie ein Zementsack. In seinem schlechten Englisch -mein Französisch war noch schlechter - versuchte er, mir das Mischverhältnis zu erklären. Schließlich musste er es aufschreiben: siebenundneunzig Prozent Laktose und drei Prozent Heroin. Er hatte nämlich pures Heroin mitgebracht. Normalerweise war es schon verschnitten, aber hier musste man
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