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Life - Richards, K: Life - Life

Titel: Life - Richards, K: Life - Life Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Richards
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als immenses Risiko. Doch Freddie ging es nicht bloß darum, high zu werden und seine Gelüste zu befriedigen. Nein, ihm schwebte eine merkwürdige, aber wunderschöne Vision vor: Wir sollten einfach wir selbst sein. Insofern gehörte er noch in die Sechziger, er verkörperte diese charakteristische Furchtlosigkeit der damaligen Zeit. Übertreten wir doch mal die Grenzen! Warum sollten wir vor jedem Scheißcop, vor jeder sozialen Norm auf die Knie fallen? (Letzteres hat sich heutzutage noch verschlimmert; heutzutage würde es Freddie überhaupt nicht mehr aushalten). Er wollte ein bisschen am Lack kratzen, er wollte wissen, wie es unter der Oberfläche der Menschen aussah. Meistens stellt man fest, dass sie kaum feste Überzeugungen
haben. Man muss sich nur wehren, und schon knicken sie ein.
    Wir, Freddie und ich, wussten, was wir aneinander hatten. Er beschützte mich. Er hatte ein Gespür dafür, bestimmte Personen aus unserer Reisegruppe rauszufiltern. Mir ist schon klar, warum ihn manche als Bedrohung empfunden haben: Er war mir sehr nahe, und das verschaffte ihm eine gewisse Narrenfreiheit. Aber für mich stellte er einen wichtigen Schutz dar. Die anderen erzählten mir, Freddie würde mich übers Ohr hauen, Tickets unter der Hand verkaufen und so weiter. Und wenn schon? Was ist das schon, verglichen mit seiner grundehrlichen Freundschaft? Nur zu, Kumpel. Beschissene Tickets kannst du unterschlagen, so viel du willst.
     
    Die nächsten vier Jahre oder so schlug ich mein Quartier in der Schweiz auf. Aus juristischen Gründen konnte ich nicht in Frankreich leben, aus steuerlichen nicht in Großbritannien. 1972 zogen wir hoch nach Villars, in die Berge oberhalb von Montreux, östlich des Genfer Sees. Ein winziges abgeschiedenes Haus; auf Skiern - ich fuhr Ski! - kam man direkt bis zur Hintertür. Mein Kumpel Claude Nobs, der Gründer des Montreux Jazz Festival, hatte das Häuschen für mich entdeckt. Daneben knüpfte ich weitere Kontakte: Sandro Sursock, der Patensohn des Aga Khan, ein prächtiger Kerl, wurde zu einem verlässlichen Freund. Oder Tibor, dessen Vater Verbindungen zur tschechoslowakischen Botschaft hatte: ein typischer slawischer Hurensohn, ein geiler Bock. Heute lebt er in San Diego und züchtet Hunde. Er und Sandro waren Freunde. Die beiden hingen immer vor der Mädchenschule rum und trafen ihre Wahl - mit sensationellem Erfolg. Wir alle brausten in dicken Karren durch die Gegend, ich in einem Jaguar E-Type.

    Eine Aussage, die ich zu dieser Zeit in einem Interview machte, ist es wert, hier festgehalten zu werden: »Bis Mitte der Siebziger waren Mick und ich unzertrennlich. Wir entschieden immer gemeinsam für die ganze Gruppe. Wir hockten zusammen und improvisierten, wir schrieben alle Songs. Dann kam der Bruch -ich ging meinen Weg, und zwar stetig bergab ins Drogenland, während Mick ins Reich des Jetsets aufstieg. Da hatte sich ein Haufen Probleme angestaut, einfach weil wir waren, wie wir waren, und weil die Sechziger gewesen waren, wie sie gewesen waren.«
    Ab und zu schaute Mick in der Schweiz vorbei, um sich mit mir über »wirtschaftliche Umstrukturierung« zu unterhalten. Die Hälfte der Zeit laberten wir nur über Steueranwälte! Oder über die Feinheiten des niederländischen Steuersystems im Vergleich zum englischen oder französischen, über die ganzen staatlich legitimierten Diebe, die uns an die Kohle wollten. Ich hätte am liebsten die Augen davor verschlossen, aber Mick ging da völlig pragmatisch ran: »Die Entscheidungen, die wir jetzt treffen, werden Auswirkungen haben bis blablabla.« Mick kümmerte sich um das Unvermeidliche, ich kümmerte mich um die Drogen. Wenn wir nicht auf Tour waren und ich gerade nichts zu arbeiten hatte, hielt der Entzug häufig nicht sehr lange vor.
    Anita war während der Schwangerschaft von den Drogen runtergekommen, aber kaum war das Baby da, ging es wieder los. Sie wollte mehr, mehr, immer mehr. Wenigstens konnten wir die Kinder mitnehmen, als wir im November 1971 nach Jamaika aufbrachen, um Goats Head Soup einzuspielen.
    Jamaika kannte ich von einem Besuch in Frenchman’s Cove, wo ich 1969 ein paar freie Tage verbracht hatte. Damals lag der Rhythmus überall in der Luft: Reggae, Rocksteady und Ska. Von der eigentlichen Bevölkerung bekam man in dieser Ecke Jamaikas nicht viel mit, da tummelten sich nur Weiße. Man war isoliert;
wollte man die Kultur der Insel erforschen, musste man sich anderswo umschauen. Damals hatte ich ein paar nette Kerle

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