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Life - Richards, K: Life - Life

Titel: Life - Richards, K: Life - Life Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Richards
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Boston begleitet, mit Motorradeskorte und sämtlichen zivilen Ehren.
    Das zweite Ereignis des Tages begann mit einem Klopfen an der Tür meines Hotelzimmers. Als ich aufmachte, stand ich zum ersten Mal Freddie Sessler gegenüber. Keine Ahnung, wie er dorthin gekommen war, aber damals tauchten alle möglichen Leute bei mir auf. Heute ist das anders, heute wäre mir das alles zu viel, aber an jenem Tag hatte ich gerade nichts zu tun, und er wirkte ganz interessant. Jüdisch bis zum Anschlag, dazu diese lächerlichen Klamotten. Ein Original. »Ich hab da was für dich«, sagte er und zog eine Unze noch versiegeltes, reines Merck-Kokain aus der Tasche - das einzig Wahre. »Ein kleines Geschenk«, fuhr er fort, »ich
liebe deine Musik.« Wenn du so ein Fläschchen aufschraubst, kommt dir das Zeug quasi entgegengeflogen, wuuusch ! Bisher hatte ich nur ab und zu Kokain genommen, denn das war meistens Straßendreck, sofern es nicht von englischen Junkies stammte. Immer diese Ungewissheit, ob es Amphetamin war oder nicht. Tja, ab diesem Tag lieferte Freddy jeden Monat eine volle Unze reines Kokain. Ohne Bezahlung - Freddy wollte nicht als »Lieferant« gelten. Man konnte ihn nicht anrufen wie einen Dealer: »Hey, Fred, hättest du vielleicht …?«
    Aber viel wichtiger war: Freddie und ich verstanden uns auf Anhieb. Er war zwanzig Jahre älter als ich, ein unglaublicher Typ, der ein schreckliches Leben hinter sich hatte, selbst im Vergleich zu den furchtbaren Erfahrungen von Juden, die den Einmarsch der Nazis in Polen mitgemacht hatten. Von seinen vierundfünfzig Verwandten in Polen hatten nur drei überlebt. Fast schon ein Wunder, dass er es geschafft hatte. Seine Geschichte erinnerte an den jungen Roman Polanski, der sich auch auf eigene Faust durchschlagen musste, nachdem seine Verwandten ins Lager verschleppt worden waren. Wie das alles genau gelaufen ist, habe ich erst später erfahren, als er schon längst fester Bestandteil der Tour war. Für die folgenden zehn, fünfzehn Jahre wurde er zu meinem zweiten Vater, was er selbst wahrscheinlich gar nicht mitbekam. Gleich auf Anhieb war mir an ihm etwas aufgefallen. Freddie war ein Freibeuter, ein Abenteurer und Außenseiter, aber mit außerordentlich guten Beziehungen. Ein wahnsinnig witziger Kerl, mit messerscharfem Verstand und haufenweise Lebenserfahrung. Fünfmal hatte er ein Vermögen verdient, um es gleich wieder in den Sand zu setzen und von vorne anzufangen. Sein erster Coup waren Bleistifte. Denn was wird mit jeder Benutzung kürzer? Ja, Büroartikel waren eine Goldgrube. Als er einmal eine Stunde lang über New York kreiste, kam ihm die nächste Idee: Er betrachtete die vielen Lichter
in den Häusern und dachte sich, wer auch immer diese Glühbirnen liefert, ist scheißreich. Zwei Wochen später lieferte er die Glühbirnen. Ganz simple Ideen. Andere waren weniger simpel oder erfolgreich, beispielsweise Schlangengift als Heilmittel für multiple Sklerose. Auch in das unglückselige Amphicar investierte er eine Menge Geld - ein Amphibienfahrzeug, das einem sarkastischen Zeitungsartikel zufolge »die Kunst des Ertrinkens revolutionieren würde«. Kein durchschlagender Erfolg. Okay, Dan Aykroyd besitzt ein Amphicar, aber der Rest der Menschheit verlässt sich lieber auf Brücken, um einen Fluss zu überqueren. Freddie war eine Art Leonardo, der sich kaum fürs Geschäftliche interessierte. Sobald eine Firma lief, langweilte er sich zu Tode, und kurz darauf hatte er es schon wieder verbockt.
    Mick war natürlich weniger begeistert von Freddie, und damit war er nicht allein. Denn Freddie war unberechenbar. Nur meine Freundschaft zu Gram hatte uns wahrscheinlich noch weiter auseinandergebracht, denn da ging es um Musik. Jedenfalls verachtete Mick Freddie. Er ertrug ihn nur, weil er wusste, dass er auch mich vergraulen würde, wenn er Freddie vergraulte. Ab und zu hatten die beiden zwar etwas Spaß miteinander, aber das kam eher selten vor. Manchmal tat Freddie ihm kleine Gefallen, ohne mir was davon zu sagen - er stellte den Kontakt zu dieser oder jener Hure her. Er ebnete ihm den Weg. Wann immer Mick was brauchte, meldete er sich bei Freddie, und Freddie sagte nie Nein.
    Die anderen machten Freddie runter. Er sei grob, beleidigend, vulgär. Was auch zutrifft. Man konnte ihm alles Mögliche vorwerfen, und trotzdem gehört er zu den besten Typen, die ich je kennengelernt habe. Ein schrecklicher, abstoßender Kerl, sicher. Oft war er völlig überdreht, manchmal war er

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