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Life - Richards, K: Life - Life

Titel: Life - Richards, K: Life - Life Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Richards
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kennengelernt. Ich hörte oft Otis Redding, und es kamen immer wieder irgendwelche Typen angelaufen und sagten: »Hey, das klingt ja klasse.« Wie ich feststellte, kriegten die Inselbewohner zwei amerikanische Radiosender rein; nur zwei reichten bis nach Jamaika. Der eine stammte aus Nashville und hatte selbstverständlich Country im Programm. Der andere, dessen Signal ebenfalls sehr gut war, sendete aus New Orleans. Bei meiner Rückkehr 1972 dämmerte mir langsam, dass die Inselbewohner regelmäßig diese beiden Stationen gehört hatten - und dass sie die beiden Stile irgendwie vermischt hatten. Hört euch nur mal die Bleechers an, mit ihrer Reggae-Version von »Send Me the Pillow That You Dream On«: Die Rhythmusgruppe ist pures New Orleans, die Stimme und der Song pures Nashville. Fast schon Rockabilly. Eine umwerfende Verbindung von Weiß und Schwarz, die Melodien des einen, der Beat des anderen. Dieselbe Mischung hatte den Rock’n’Roll hervorgebracht. Und ich sagte mir, Junge, du bist auf dem richtigen Weg.
    Damals war Jamaika nicht wie heute. 1972 blühte die Insel gerade so richtig auf: Die Wailers hatten bei Island Records unterschrieben, Marleys Locken fingen eben erst an zu sprießen. Im Kino lief Jimmy Cliff mit The Harder They Come - in einem (zumindest mir) vertrauten Anfall revolutionären Überschwangs feuerte das Publikum in Saint Ann’s Bay beim Abspann auf die Leinwand. Die war allerdings bereits durchlöchert, was sich vielleicht auf die vielen Spaghettiwestern zurückführen ließ - damals der allerletzte Schrei. In Kingston wimmelte es von Pistoleros. Eine exotische Energie erfüllte die Stadt, es war heiß, richtig heiß. Dabei spielte Byron Lees berüchtigtes Studio Dynamic Sounds eine wichtige Rolle. Von außen glich es einer Festung; der weiße Lattenzaun
drumherum ist im Film zu sehen. Jimmy Cliffs »The Harder They Come« wurde im selben Raum aufgenommen wie Teile von Goats Head Soup , und der Tontechniker, Mikey Chung, war ebenfalls derselbe. Ein tolles Vier-Spur-Studio. Die wussten genau, wo die Drums hingehörten - weshalb sie den Hocker gleich festgenagelt hatten! Zack, bumm und fertig!
    Wir hatten uns alle im Terra Nova Hotel breitgemacht, Chris Blackwells ehemaligem Familiensitz in Kingston. Dass wir überhaupt auf Jamaika waren, hatte damit zu tun, dass weder Mick noch ich Visa für die USA bekommen hatten. Der amerikanische Botschafter, einer von Nixons Leuten, hatte offenbar klare Befehle. Außerdem hasste er uns wie die Pest. Dabei wollten wir doch bloß ein Visum! Kaum hatten wir sein Büro betreten, wussten wir, wie unsere Chancen standen. Und trotzdem mussten wir uns anhören, wie uns dieser Kerl Tod und Teufel an den Hals wünschte: »Menschen wie Sie …« Ein elender Vortrag. Mick und ich sahen uns an: Kennen wir das nicht irgendwoher? Später, im Rahmen der Visumsverhandlungen, die Bill Carter für uns führte, fanden wir heraus, dass sie eigentlich kaum was in der Hand hatten: ein paar Artikel aus Klatschzeitungen, ein paar reißerische Schlagzeilen. Primitives Zeug - wir hätten gegen eine Mauer gepisst und so weiter. Der Botschafter bluffte also nur, als er die Akten durchblätterte und über unseren Heroinkonsum wetterte.
    Trotz Dynamic Sounds und der allgemeinen Euphorie brauchte Goats Head Soup eine gewisse Anlaufphase. Ich glaube, nach Exile waren Mick und ich ein bisschen ausgebrannt. Hinter uns lag eine Tournee durch die USA, und jetzt sollte schon wieder das nächste Album her. Die Songs auf Exile hatten alle wunderbar miteinander harmoniert - keine leichte Aufgabe, das zu wiederholen, zumal unser letzter Studiobesuch bereits ein volles Jahr
zurücklag. Aber ein paar gute Ideen hatten wir schon: »Coming Down Again«, »Angie«, »Starfucker«, »Heartbreaker«. Ich hatte meinen Spaß. Währenddessen veränderte sich unser Vorgehen: Nach und nach, ganz langsam, wurde ich fast zum Jamaikaner, bis ich überhaupt nicht mehr von der Insel wegwollte. Aber es gab natürlich Schattenseiten. Mittlerweile war auch Jimmy Miller auf Drogen, genauso Andy Johns. Ich sah mir das an und dachte: Verdammte Scheiße, ihr sollt tun, was ich sage , nicht, was ich tue . Natürlich war ich selbst süchtig wie eh und je. Noch vor nicht allzu langer Zeit meinte ich, ohne Heroin hätte ich »Coming Down Again« nie geschrieben. Aber ich bin mir gar nicht so sicher, ob es in dem Song wirklich um Heroin geht. Es ist einfach ein trauriges Lied, und so eine Melancholie schöpft man aus

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