Life - Richards, K: Life - Life
drohte. Sie war das Pin-up-Girl der Linken, ihr Bild hing überall. Sie war ein totaler Rock’n’Roll-Fan und hatte so Mick kennengelernt. Später traf ich sie auch, nur ein einziges Mal und ganz kurz. Sie war auf Micks Einladung nach Stuttgart gekommen und fragte im Hotel nach ihm, als ich ihr zufällig über den Weg lief und sie zu Micks Zimmer brachte. Ich kannte sie von Postern und aus Zeitschriften
und fühlte mich sofort zu ihr hingezogen. Uschis Freund Rainer Langhans hatte die Kommune I mitbegründet, eine offene WG, deren Mitglieder die Kleinfamilie und den autoritären Staat bekämpften. Als sie Rainer kennenlernte, zog sie in die Kommune ein. Stolz trug sie den Ehrentitel Bavarian Barbarian . Das Ideologische nahm sie allerdings nie ernst. Sie trank Pepsi-Cola, was verpönt war, rauchte Mentholzigaretten und missachtete auch andere Kommunen-Vorschriften. Sie ließ sich vom Stern fotografieren, nackt, während sie sich einen Joint drehte, und legte es von ganzem Herzen darauf an, das bürgerliche Deutschland auf die Palme zu bringen. Als die Welt der Kommunarden sich in zwei Lager aufspaltete - in Terrorgruppen wie die Baader-Meinhof-Bande auf der einen und die Grünen auf der anderen Seite -, zog Uschi sich zurück. Sie verließ Rainer und ging wieder nach München. Ihr Weg ist gepflastert mit Typen, die versucht hatten, sie zu zähmen. Sie hatten jemanden zu zähmen versucht, der nicht zu zähmen war. Sie ist das beste bad girl , das ich kenne.
Egal - wir checkten im Bayerischen Hof ein, wo in jedem Zimmer ein echter Rembrandt über dem Bett hing. »Und«, sagte Bob, »was machen wir jetzt, Keith?« - »Wir gehen nach Schwabing«, sagte ich, »wir klappern die Clubs ab. Wir tun, was Gram getan hätte, wenn wir abgekratzt wären. Wir machen uns auf die Suche nach Uschi Obermaier.« Nicht, dass ich einen besonderen Grund dafür gehabt hätte, ich wusste nur nicht, was ich sonst in München tun sollte. Ich wusste ja nicht mal, ob Uschi in der Stadt war. Wir machten uns noch ein bisschen frisch und zogen los. In den Clubs ging die Post ab, was uns allerdings nicht weiter interessierte. Im fünften oder sechsten Club sprach ich mit dem DJ, der verdammt gute Platten spielte und den ich zufälligerweise kannte. Er hieß George der Grieche, und wie es der Zufall wollte, kannte er die Obermaier.
Aber selbst, wenn ich sie fand, was dann? Ich war nicht in der Verfassung, sie anzubaggern, und viel Zeit hatte ich auch nicht. Okay, wir hatten jemanden gefunden, der sie kannte, was ohnehin schon ein Wunder war, aber ich hatte keine Ahnung, wie es jetzt weitergehen sollte. George hatte zwar ihre Adresse, aber offenbar wohnte sie mit ihrem Freund zusammen. Egal, George, wir fahren da jetzt hin.
Wir parken also gegenüber ihrer Wohnung, und ich bitte George, raufzugehen und ihr zu sagen, dass KR sie sprechen möchte. Ich war entschlossen, das bis zum Ende durchzuziehen. George geht hoch, und kurz danach kommt sie aus dem Haus und zum Auto und fragt mich durchs Fenster, wer ich bin und was ich will. »Weiß nicht, ein Freund von mir ist gerade gestorben, und ich bin ziemlich am Arsch. Ich wollte nur mal kurz Hallo sagen. Du warst das Ziel, und wir haben dich gefunden. Belassen wir’s dabei.« Da beugt sie sich vor, gibt mir einen Kuss und geht wieder ins Haus. Na also, wir hatten die Sache tatsächlich durchgezogen! Mission erfüllt.
Bei meinem zweiten Versuch, Kontakt mit Uschi aufzunehmen, beauftragte ich Freddie Sessler, sie per Telefon ausfindig zu machen. Er rief ihre Agentur an. »Tut mir leid, aber ich darf keine Telefonnummern rausgeben«, sagte der Agent. Aber Freddie wanzte sich durch die Leitung an ihn ran - und es gibt keinen zweiten Schmeichler wie Freddie.
Freddie sprach viele Sprachen. Dummerweise sprach Uschi kein Englisch und ich kein Deutsch. Als ich ihre Nummer bekam und anrief, sagte sie: »Hi, Mick.« Und ich: »Ich bin’s, Keith.« Sie lebte damals in Hamburg, und ich schickte ihr einen Wagen, der sie nach Rotterdam bringen sollte. Nach einem Streit mit ihrem Typen haute sie ab, sprang in den Wagen und kam angedüst. Wir wohnten in einem auf Japanisch gestylten Hotel, und in jener Nacht im
Bett riss sie mir meinen Ohrring aus dem Ohrläppchen. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, klebte das Ohr mit dem getrockneten Blut am Kissen fest. Seitdem ist mein rechtes Ohrläppchen etwas entstellt.
Mit Uschi, das war reine Lust, simpel und einfach. Vor allem am Anfang. Dann kamen wir uns näher,
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