Life - Richards, K: Life - Life
Initiationserlebnis mit Ronnie Ende März 1975, kurz vor der US-Tour. Die Band probte in Montauk auf Long Island. Wir beschlossen, Freddie Sessler einen Besuch abzustatten, der damals in Dobbs Ferry lebte, von Manhattan ein Stück den Hudson River rauf. Freddie stachelte uns dazu an, auf der Stelle etwa dreißig Gramm pharmazeutisches Kokain zu konsumieren. Genauso gut hätten wir drei Seiten aus dem Tagebuch unseres Lebens herausreißen können. Freddies Aufzeichnungen klären uns über die Umstände auf, ich selbst erinnere mich kaum daran.
Freddie Sessler: Ich schlief fest, als es um fünf Uhr morgens laut an meine Haustür klopfte. Noch im Halbschlaf öffnete ich. Ich wurde sofort wach, als mir Keiths Sinn für Humor entgegenschlug. »Hast du etwa geschlafen, du Penner, während wir im Schweiße unseres Angesichts hundert Meilen weit gefahren sind, nur um dich zu besuchen?« - »Okay«, sagte ich. »Jetzt bin ich jedenfalls wach. Ich muss mir nur noch eben das Gesicht waschen.« Dann holte ich eine Tüte Orangensaft für mich und eine Flasche Jack Daniel’s für Keith. Er schob eine Reggae-Kassette in die Stereoanlage und drehte auf, volle Pulle natürlich. Party Time!
Ich fragte Keith und Ronnie, ob sie Lust auf einen kleinen Willkommens-Toast hätten. Ich holte ein 30-Gramm-Fläschchen Merck-Kokain und ein glasgerahmtes Bild aus dem Schlafzimmer und schlug ihnen mein spezielles kleines Spielchen vor. Das Ritual, ein versiegeltes Fläschchen Kokain zu öffnen, bereitete mir immer größtes Vergnügen. Allein beim Aufreißen des Verschlusses bekam ich sofort einen Euphorieschub. Das war sogar ein noch größeres Vergnügen als das Schnupfen selbst. Ich riss den Verschluss ab und kippte zwei Drittel des Inhalts aufs Glas. Dann schob ich zwei gleich große Häufchen mit etwa acht Gramm für Keith und mich und ein Häufchen mit vier Gramm für Ronnie zurecht.
Als ich fertig war, sagte ich: »Keith, ich hab hier einen kleinen Test für dich. Mal sehen, ob du ein Mann bist oder nicht.« Ich wusste ganz genau, dass er sich jeder Herausforderung stellen würde. Ich nahm einen Strohhalm, zog zwei Lines und schnupfte meine acht Gramm. »Na, was ist, traust du dich?« In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie jemanden gesehen, der sich eine solche Menge einverleibte. Keith zögerte kurz, schnappte sich dann seinen Strohhalm und machte es mir ohne jede Schwierigkeit nach. Ich schob Ronnie das Bild hin und sagte: »Du bist noch ein Greenhorn. Für dich reichen vier Gramm.« Er schnupfte sie.
Pharmazeutisches Kokain ist in keiner Hinsicht mit Kokain aus Zentral- oder Südamerika zu vergleichen. Es ist rein und verursacht weder Depressionen noch Lethargie. Die Euphorie ist eine völlig andere, eine kreative, die sich sofort nach der Aufnahme durch das zentrale Nervensystem einstellt. Es gibt keinerlei Entzugserscheinungen.
Während ich Ronnie seine Ration rüberschob, war ich schon kurz vor dem Abheben, ein gewaltiger Schub. Was für ein Gefühl! Mit nichts zu vergleichen. Die Worte, die ich zu Ronnie sagte, waren die letzten, die ich für die nächsten sechs Stunden herausbrachte. Dann fuhren wir nach Woodstock.
Reines Kokain. Traust du dich oder nicht? Dann rein in den Wagen und ab. Wir hatten keinen Schimmer, wohin es ging. Die Fahrt war so ähnlich wie die mit John Lennon, wir fuhren einfach los. Ich habe keine Ahnung, wie wir wo angekommen sind. Anscheinend bin ich gefahren und anscheinend sehr vorsichtig, denn wir wurden kein einziges Mal angehalten. Was wir taten - tanken oder was auch immer -, wurde von einem anderen Kopf gesteuert. Ich erinnere mich vage, dass wir im Haus von The Band in Bearsville übernachteten, wahrscheinlich bei Levon Helm. Ich weiß nicht mehr, ob wir aus einem bestimmten Grund dorthin fuhren. Ich glaube, Bob Dylan hat zu der Zeit nicht mehr da oben gelebt. Schließlich kehrten wir nach Dobbs Ferry zurück. Ich habe irgendwie das komische Gefühl, dass Billy Preston auch da war. Auf der Fahrt war er aber nicht dabei.
Die kurz darauf startende’75er-Tour war befeuert von Merck-Kokain. Wir sorgten dafür, dass auf der Bühne hinter den Lautsprechern kleine Verstecke eingebaut wurden, so dass wir zwischen den Songs was schnupfen konnten. Ein Song, eine Nase, das war die Regel für Ronnie und mich.
Selbst drei Jahre nach der STP-Tour war die ganze Sache nach heutigen Maßstäben ziemlich improvisiert und unorganisiert. Wie haben wir es trotzdem hinbekommen? Lassen wir Mary Beth Medley zu
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