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Life - Richards, K: Life - Life

Titel: Life - Richards, K: Life - Life Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Richards
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bald dämmerte uns, dass wir hier vielleicht einen echten Disco-Klassiker geschaffen hatten. Es wurde schließlich ein Riesenhit. Der Rest des Albums klang trotzdem vollkommen anders als »Miss You«.
    Dann gab es Ärger wegen des Covers. Ausgerechnet Lucille Ball hatte was dagegen, dass wir ihr Foto benutzten, was jede Menge Prozesse nach sich zog. Bei dem Originalcover konnte man Karten mit den Gesichtern herausziehen und austauschen. Wir hatten berühmte Frauen aus der ganzen Welt ausgesucht, alles Frauen, auf die wir standen. Lucille Ball? Dir gefällt das nicht? Auch gut! Den Feministinnen gefiel es auch nicht. Die auf die Palme zu bringen machte uns immer großen Spaß. Wo wärt ihr ohne uns? Und dann war da noch die beleidigende Textzeile aus »Some Girls«: »Black Girls just wanna get fucked all night.« Na ja, jahrelang waren jede Menge schwarzer Miezen mit uns unterwegs gewesen, und von denen gab es schon einige, die genau das wollten. Es hätten aber genauso gut gelbe oder weiße Mädchen sein können.
    Meinen Entzug 1977 mit der Black Box und Meg Patterson kann man eigentlich als Erfolg verbuchen - bis auf eine kurze Unterbrechung. Während wir an Some Girls arbeiteten, ging ich gelegentlich auf die Toilette und setzte mir einen Schuss. Aber das hatte Methode. Ich dachte auf dem Klo über das nach, woran wir gerade arbeiteten. Ich zerbrach mir etwa den Kopf über einen Song, der eigentlich gut war, aber einfach nicht fertig wurde: welche Richtung ich ihm geben könnte und was daran falsch war und warum wir nach fünfundzwanzig Takes immer noch auf der Stelle traten. Wenn ich dann wieder auftauchte, sagte ich: »Okay, Jungs, lasst uns das Tempo etwas anziehen und im Mittelteil die Keyboards
streichen.« Manchmal lag ich richtig, manchmal lag ich falsch, aber ich war auch nur eine Dreiviertelstunde weg, also, was soll’s? Besser als eine Dreiviertelstunde, in der jeder seinen Senf dazugibt - »Wie wär’s, wenn wir es so machen?« Das ist in meinen Augen die Hölle. Gelegentlich nickte ich ein, während wir spielten. Ich stand zwar noch aufrecht, war aber allen irdischen Zwängen entronnen - bis ich ein paar Takte später wieder meinen Einsatz fand. Das kostete uns natürlich Zeit, weil wir den Take, wenn wir denn überhaupt einen zustande brachten, meist wieder löschen mussten.
    Was den reinen Zeitaufwand anging, kann ich mich an keinen Song erinnern, der es mit »Before They Make Me Run« aufnehmen kann. Der Song, den ich auf dem Album selbst sang, war ein Schrei, der aus tiefstem Herzen kam. Aber kein anderer Song zehrte dermaßen an unseren Nerven. Ich arbeitete fünf Tage daran, ohne das Studio auch nur einmal zu verlassen.
    Worked the bars and sideshows along the twilight zone
Only a crowd can make you feel so alone
And it really hit home
Booze and pills and powders, you can choose your medicine
Well here’s another goodbye to another good friend.
     
    After all is said and done
Gotta move while it’s still fun
Let me walk before they make me run.
    Mit dem Song drückte ich aus, was ich in Kanada durchgemacht hatte und immer noch durchmachte. Ich sage ihnen, was sie bei diesem gottverdammten Prozess tun sollen: Lasst mich davonkommen. Wie es bei einem milden Urteil heißt: Jetzt haben sie ihn davonkommen lassen.
    »Warum kniest du dich so in den Song rein? Keiner mag das Teil.« - »Wart ab, bis er fertig ist!« Fünf Tage, ohne ein Auge zuzumachen. Ich hatte einen Toningenieur, der hieß Dave Jordan, und ich hatte noch einen zweiten, und wenn sich einer von beiden unter dem Mischpult ein paar Stündchen Schlaf gönnte, sprang der andere ein und machte weiter. Als der Song fertig war, hatten wir alle geschwollene Augen. Ich weiß nicht, was so schwierig an dem Song war, aber jedes Mal stimmte einfach irgendwas nicht. Und du hast Leute um dich rum, die mit drinhängen. Du stehst mit deiner Gitarre um den Hals da, und alle anderen pennen schon auf dem Boden. O nein, Keith, nicht noch einen Take, bitte! Essen wurde angeliefert, pain au chocolat . Die Tage gingen in die Nächte über. Aber du kannst einfach nicht lassen von dem Song. Du hast ihn fast, du schmeckst ihn schon, aber du hast ihn noch nicht im Mund. Wie bei gebratenem Speck und Zwiebeln, die vor dir auf dem Tisch stehen, du hast den Geruch schon in der Nase.
    Am vierten Tag sah Dave aus, als hätte man ihm zwei blaue Augen verpasst. Wir mussten ihn auswechseln. »Feierabend, Dave.« Jemand rief ihm ein Taxi. Als der Song endlich fertig

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