Life - Richards, K: Life - Life
zu meiner »Hutnadel« passte. »Ähm, ich nehme drei Teddybären, das ferngesteuerte Auto da und, richtig, geben Sie mir noch zwei von den Ärztekoffern da. Meine Nichte, die steht da total drauf. Muss man ja ein bisschen fördern, oder?« FAO Schwarz war meine Connection. Dann schnell zurück in die Suite.
Man hält ein Feuerzeug unter den Löffel mit dem Heroin und beobachtet, wie sich der Stoff in eine klare, sirupartige Flüssigkeit verwandelt. Sie sollte nicht schwarz werden, denn das hieße, dass sich zu viel Streckmittel im Heroin befindet. James hat mich nie enttäuscht, er hat mir immer nur Spitzenware geliefert. Ich war nie auf Masse aus, ich wollte Qualität. Ich war süchtig, ich brauchte meinen Stoff. Aber ich habe nie in großen Mengen gekauft. Fünf bis zehn Gramm, höchstens. Weil sich die Qualität im Laufe einer Woche verändern kann. Wer will schon einen ganzen Beutel mieses Dope, mit dem man nichts anfangen kann? Man musste den Markt im Auge behalten. Und mein Mann dafür war James. »Das ist das Beste, was ich dir zur Zeit bieten kann. An deiner Stelle würde ich nichts mehr davon kaufen. Nächste Woche kommt wieder Spitzenzeug rein.« James war absolut zuverlässig. Er war ein vertrauenswürdiger Geschäftsmann, der korrekte Preise verlangte. Und er hatte Sinn für Humor. »Und, warst du schon drüben und hast dir deine Spielsachen besorgt?«
Für einen Junkie ist der Stoff sein täglich Brot. Richtig high wirst du davon eigentlich nicht mehr. Es gibt Junkies, die ihre Dosis ständig steigern, bis sie irgendwann zu viel erwischen und daran sterben. Für mich wurde Heroin zum Stoff, der mich am Laufen hielt. Er bestimmte den Tagesablauf. Er war verantwortlich für die unerträglichen Augenblicke, wenn Anita bei Lieferengpässen nach ihrem Stoff verlangte. Ich brauch doch auch was, Darling, wir müssen einfach warten. Waiting for the man . Bei einem Heroin-Engpass wurde es hart. Da spürten wir wirklich die Daumenschrauben. Man stieg in seiner Wohnung über Leute, die leidend und kotzend auf dem Boden herumlagen. Manchmal gab es auch gar keinen echten Engpass, das Angebot wurde nur klein gehalten, um die Preise nach oben zu treiben. Und da spielte es keine Rolle, wie viel Geld man hatte. »Hey, weißt du, wer ich bin?« Ich war nur ein Junkie unter vielen.
Wenn es überhaupt keinen Stoff mehr gab, dann musste man so tief runter, dass man glaubte, man wäre in einer Jauchegrube voller Piranhas gelandet. Das ist mir ein paarmal auf der East Side in New York und in L. A. passiert. Wie kannten den Trick - man kaufte oben, und unten wurde einem der Stoff von den anderen aus der Bande wieder abgenommen. Oft hörte man, was unten ablief, während man selbst noch oben in der Schlange stand. Das Entscheidende war, das Haus ganz leise zu verlassen und vorher zu überprüfen, ob draußen jemanden wartete. Wenn ja, trat man dem vorsorglich in die Eier und haute ab. Aber ein paarmal … Also gut, wir ziehen das jetzt durch. Du bleibst unten und gibst mir Deckung. Wenn ich mit dem Zeug wieder runterkomme, baller ich gleich los, die ballern zurück, und dann legst du los. Schieß die Glühbirnen aus und jag ein paar Kugeln in die Wände, und dann nichts wie weg. Mit ein bisschen Glück schaffen wir das. Die Statistik spricht jedenfalls klar für uns. Tausend zu eins. Man muss
nur nah genug dran sein und ein gutes Auge haben, wenn man eine Glühbirne wegpusten will. Und dann ist es dunkel. Krach, zack, bumm und ab durch die Mitte. Herrlich! Wie am O.K. Corral. Hab ich allerdings nur zweimal gemacht.
Die tägliche Routine war extrem zeitaufwendig. Ich wachte morgens auf und ging als Erstes ins Bad, nicht um mir die Zähne zu putzen, sondern um mir einen Schuss zu setzen. Kein Löffel da, verdammt. Also runter in die Küche, einen holen. Jeden Tag die gleichen idiotischen Rituale. Daran hätte ich auch gestern Abend denken können. Jedes Mal dauerte es länger, bis sich der Kick einstellte. Dagegen wurde das Verlangen, sich sofort wieder was zu schießen, wenn die Wirkung nachließ, immer stärker. Was soll’s, einer geht noch, schließlich bin ich ja clean. Aber dieser eine Schuss zur Feier des Tages ist verhängnisvoll. Dazu kommt, dass du zwar selbst vielleicht kein Junkie mehr bist, aber alle deine Freunde sind es noch. Wer einen Entzug macht, der hat den inneren Zirkel verlassen. Und ob sie dich nun lieben oder hassen, sie wollen dich wieder dabeihaben. »Das ist wirklich guter Stoff, Mann.« Innerhalb
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