Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Life - Richards, K: Life - Life

Titel: Life - Richards, K: Life - Life Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Richards
Vom Netzwerk:
alle auf dem Sofa mit Blick aufs Fenster saßen und ihnen gegenüber die Mädchen, ging Gus nach oben auf die Toilette und ließ von dort an einer Schnur ein benutztes Kondom vor dem unteren Fenster hin und her baumeln, das nur die Jungs sehen konnten. Die Jungs wurden rot und fingen an zu kichern, und die Mädchen hatten keine Ahnung, warum. Gus hatte seinen Spaß daran, etwas Leben in die Bude zu bringen. Doris erzählte mir von dem Skandal, den zwei von Gus’ Schwestern heraufbeschworen, Henrietta und Felicia, die zusammen in der Colebrook Row wohnten, und wie entsetzt ihre Mutter darüber gewesen war. Die beiden seien - Doris sprach das nur im Flüsterton aus - »auf den Strich« gegangen. Nicht alle Schwestern bedienten sich einer so gepfefferten Sprache wie Doris, manche waren genauso rechtschaffen und anständig wie Emma. Aber niemand leugnete die Geschichte über Henrietta und Felicia.
    Meine frühesten Erinnerungen an Gus sind unsere gemeinsamen Spaziergänge, die er meiner Meinung nach hauptsächlich deshalb unternahm, um seinem Haus voller Frauen zu entfliehen. Ich war ein guter Vorwand, wie auch der Hund, der auf den Namen
Mr. Thompson Wooft hörte. Vor mir hatte es in Gus’ Haushalt nie einen Jungen gegeben, keinen Sohn, keinen Enkel, und ich glaube, dass das der große Augenblick, die große Gelegenheit war, um sich abzuseilen. Wenn Emma ihm irgendwelche Arbeiten im Haushalt auftragen wollte, lautete die Antwort unweigerlich: »Tja, Em, würde ich ja liebend gern, aber du weißt ja, mein kaputter Hintern.« Ein Nicken, ein Zwinkern, und schon musste der Hund Gassi. Wir marschierten Meile um Meile und manchmal, so kam es mir jedenfalls vor, Tage. Einmal gingen wir auf den Primrose Hill, um die Sterne zu beobachten, natürlich mit Mr. Thompson Wooft. »Glaub kaum, dass wir es bis heute Abend noch zurückschaffen«, sagte Gus. Also schliefen wir unter den Bäumen.
    »Ich schätze, der Hund muss Gassi.« (Das war der Code für »Lass uns abhauen«.)
    »Okay.«
    »Zieh deine Regenjacke an.«
    »Regnet doch gar nicht.«
    »Zieh die Regenjacke an.«
    Einmal fragte mich Gus auf einem unserer Rundgänge (da war ich fünf oder sechs):
    »Hast du mal einen Penny?«
    »Ja, Gus.«
    »Siehst du den Jungen da drüben an der Ecke?«
    »Ja, Gus.«
    »Geh rüber und gib ihm den Penny.«
    »Was?«
    »Na los, der hat’s nötiger als du.«
    Ich gebe ihm also den Penny.
    Und Gus gibt mir dafür zwei zurück.
    Diese Lektion habe ich nie vergessen.

    Mir wurde nie langweilig mit Gus. Eines Abends auf dem Bahnsteig der New Cross Railway Station gab er mir bei dichtem Nebel meine erste Zigarette. »Kriegt kein Mensch mit.« Ein gängiger Gusismus für die Begrüßung eines Freundes ging so: »Hallo! Und, der Arsch immer schön sauber?« Das kam so herrlich beiläufig rüber, so völlig normal. Ich liebte den Mann. Ein leichter Klaps auf den Kopf. »Das hast du nicht gehört.« »Was denn?«
    Er summte ganze Symphonien, während wir unterwegs waren, zum Primrose Hill, nach Highgate oder runter nach Islington durch Archway und Angel oder sonst wohin.
    »Lust auf ein Stück Zervelatwurst?«
    »Ja, Gus.«
    »Kriegst du. Wir gehen zum Lyons Corner House.«
    »Ja, Gus.«
    »Und kein Wort zu deiner Großmutter.«
    »Okay, Gus! Und der Hund?«
    »Der kennt den Koch.«
    Ich liebte seine Herzlichkeit und Zuneigung, und sein Humor sorgte dafür, dass ich fast den ganzen Tag lang lachte. Damals gab es nicht viel, worüber man in London lachen konnte. Was es aber immer gab, war MUSIK!
    »Lass uns mal kurz hier reinschauen, ich brauche ein paar neue Saiten.«
    »Okay, Gus.«
    Ich sagte nicht viel, ich hörte zu. Er mit seiner Schiebermütze auf dem Kopf, ich in meiner Regenjacke. Vielleicht habe ich von ihm die Wanderlust geerbt. »Wenn du in der Nähe der Seven Sisters Road lebst, sieben Töchter hast und mit dem Eheweib acht Frauen zu Hause, dann musst du einfach ab und zu raus.« Soweit ich weiß, hat er nie getrunken. Aber irgendwas muss er getan haben. Wir sind nie in Pubs gegangen. Doch er verschwand ziemlich regelmäßig
in den Hinterzimmern von irgendwelchen Läden. Und ich stand da und studierte mit glänzenden Augen die Waren. Wenn er wieder auftauchte, sagte er immer dasselbe.
    »Gehen wir, hast du den Hund?«
    »Ja, Gus.«
    »Na los, Mr. Thompson.«
    Ich wusste nie, wohin es uns verschlagen würde. Er ging in irgendeinen kleinen Laden in Angel oder Islington und marschierte direkt ins Hinterzimmer. »Eine Minute, bin gleich

Weitere Kostenlose Bücher