Life - Richards, K: Life - Life
halten. Einmal auf Martinique hat er Brooke Shields auf dem Schoß und beschwatzt sie so, dass ich selbst überhaupt nicht zu Wort komme. Drei oder vier Top-Starlets scharwenzelten um ihn herum. Wo ist eigentlich Dad? Wo wohl? Unten an der Bar, um ihn rum jede Menge scharfer Bräute. Bert hatte wirklich Power. Ich weiß noch, wie er mit fünf oder sechs Mann aus unserer Truppe die ganze Nacht Domino gespielt hat und alle nacheinander vom Stuhl fielen, während er einen Rum nach dem anderen kippte. Er wurde nie betrunken. Blieb immer standfest. Er war irgendwie wie ich, und das ist das Problem. Man trinkt immer mehr,
weil es einem nichts ausmacht. Man tut es einfach, wie morgens aufwachen oder atmen.
Nachdem der junge Kerl sich in unserem Haus erschossen hatte, war Anita eine Zeit lang auf der Flucht vor der Presse gewesen und hatte sich dann mit Marlon ins Alray Hotel in der 68th Street in New York verkrochen. Freddie Sesslers Sohn Larry kümmerte sich um die beiden. Marlons Leben kreiste nicht um Schule und Unterricht, zumindest nicht auf die konventionelle Art, sondern um Anitas neue Freunde aus der Post-Punk-Szene, die sich im Mudd Club in der White Street trafen, dem Gegenentwurf zum Studio 54. Sie bewegte sich in der Welt von Brian Eno und den Dead Boys, ihr Stammlokal war Max’s Kansas City. An Anitas Situation hatte sich natürlich nichts geändert. Wahrscheinlich erinnert sie sich heute an jene Zeit als die schlimmste ihres Lebens und schätzt sich glücklich, dass sie das überlebt hat. Damals war New York ein sehr gefährliches Pflaster, nicht nur wegen AIDS. Sich in den Hotels an der Lower East Side einen Schuss zu setzen war kein Spaß. Besonders nicht im vierten Stock des Chelsea Hotels, wo Angel Dust und Heroin zu den Spezialitäten zählten.
Um etwas Stabilität in ihr Leben zu bringen, übernahm ich für Anita und Marlon das von Mick Taylor gemietete Haus in Sands Point, Long Island - das erste in einer Serie von filmreifen, aberwitzigen Herrenhäusern auf Long Island, wo sie während dieser Zeit wohnten. Wenn ich es einrichten konnte, fuhr ich raus, um Marlon zu besuchen. Als ich 1980 zu Anitas Geburtstag vorbeischaute, lernte ich Roy »Skipper« Martin kennen. Er zog jeden Abend im Mudd Club eine extreme Nummer als Stand-up-Comedian ab und gehörte zu Anitas Clique, die sich regelmäßig in Sands Point traf. Zu ihrem Geburtstag hatte er ein opulentes Essen gekocht: Lammbraten, Yorkshire Pudding und jede Menge
andere Sachen - und als Nachtisch Apple Crumble mit Custard , mit Streuseln überbackene Äpfel in warmer Vanillesauce. Ich fragte ihn, ob er die Sauce tatsächlich selbst gemacht hätte. Er sagte Ja, und ich sagte: Nein, die ist aus der Dose. »Was soll der Scheiß, natürlich habe ich die gekocht, mit Milch, mit dem Pulver aus der Packung da, Bird’s Vanilla .« Schon gerieten wir aneinander. Ich weiß noch, dass ich beim Essen versucht habe, ihm ein Glas an den Kopf zu werfen.
Bei Menschen, die zu meinen langjährigen, echten Freunden werden sollten, war in der Regel sofort eine Verbindung da: Ich habe ein Gespür dafür, wann ich jemandem vertrauen kann. Das ist dann sozusagen ein verbindlicher Vertrag. Roy ist einer von diesen Menschen, seit jenem Abend. Wenn ich diese Verbindung spüre, gibt es für mich keine größere Sünde, als diesen Freund zu enttäuschen. Sonst hat man das Wesen von Freundschaft und Kameradschaft, das Wichtigste überhaupt, nicht verstanden. Von Roy gibt es später noch mehr zu erzählen, weil er nicht nur ein guter Freund ist, sondern sich auch um unser Haus in Connecticut kümmert. Etwa ein Jahr nach dieser ersten Begegnung trat er der Familie als Mädchen für alles - ein besserer Ausdruck fällt mir nicht ein - bei und ist es bis heute geblieben.
Ohne meine Kumpel wäre ich nichts: ohne Bill Bolton, meinen starken Arm auf unseren Tourneen, ein Kerl wie ein Backsteinscheißhaus; ohne Tony Russell, meinen Bodyguard seit vielen Jahren; ohne Pierre de Beauport, meinen Gitarrentechniker und musikalischen Berater. Das einzige Problem mit solch wahren Freunden ist, das sich dauernd der eine vor den anderen werfen will, um ihn zu beschützen. Ich, nein, ich, ich halte die Kugel auf. Wahre Freunde. Äußerst selten zu finden, nach solchen Freundschaften kann man nicht suchen, die wachsen einfach. Ohne das Wissen um verlässlichen Beistand kann ich nirgendwo hinfahren.
Solche Männer waren früher für mich Jim Callaghan und Joe Seabrook, der vor ein paar
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