Life - Richards, K: Life - Life
nagelneuen Hundert-Dollar-Schein, und was machte ich damit? Ich zog los, wedelte mit dem Schein rum und kaufte mir ein paar Comic-Hefte, mehr brauchte ich nämlich nicht.
In Long Island gewöhnten sich die Leute allmählich an uns. Roy raste dauernd mit hundertdreißig Sachen und quietschenden Reifen durch die Gegend. Er fuhr riesige Lincoln Continentals, diese großen Zuhälterkisten. Alle zwei Monate fuhr er einen zu Schrott, dann mieteten wir uns einen neuen. Außerdem nahm er sich regelmäßig zwei Tage frei. Er sagte: Also, ich bin dann mal zwei Tage weg, macht euch keine Sorgen. Und dann ging er auf Sauftour und kehrte zwei Tage später mit blauen Flecken oder Schnittwunden im Gesicht wieder zurück. Bei einem dieser Ausflüge geriet er in einer Bar auf Long Island in einen Streit, der ein spektakuläres Ende fand. Er verließ die Bar und raste zehn Minuten später mit dem Wagen in die Fensterfront des Lokals, dabei rammte er noch drei parkende Autos und ein paar Motorräder. Dann stieg er aus und marschierte in die Bar, die er gerade zerlegt hatte, um einen Telefonanruf zu tätigen. Am nächsten Tag wurde er verhaftet und ins Gefängnis gesteckt, aus dem wir ihn auf Kaution wieder rausholten. Bert ging damit sehr verständnisvoll um. Ach, Roy hat wieder Ärger?
Zum Glück für Roy lebten wir in einem Ort mit einer privaten Polizeitruppe. Wenn er also mal wieder einen Unfall gebaut hatte, dann brachte die ihn einfach nach Hause.
Bert ging abends regelmäßig am Bahnhof von Westbury in eine Hells-Angels-Bar. Da saß er dann stundenlang mit diesen Ledertypen rum. Zusammen mit Roy. Der jodelte und kreischte und unterhielt den ganzen Laden.
Ansonsten folgte Berts Tagesablauf einem strikten Plan. Nach dem Aufstehen drehte er eine Runde im Pool, dann machte er sich selbst Frühstück. Seine Mahlzeiten, die Roy zubereitete, aß er immer zur gleichen Uhrzeit. Um Punkt sieben Uhr abends trank er ein Glas Harvey’s Bistol Cream. Weil nämlich um halb acht Wheel of Fortune anfing. Das verpasste er nie. Er stand auf die Assistentin Vanna White, er feuerte sie an und brüllte die Kandidaten an, die grob zu ihr wurden. Um acht aß er zu Abend, und danach schaute er weiter fern bis um Mitternacht, wobei er Bass-Bier und dunklen Navy-Rum trank.
Gott sei Dank waren die Häuser so groß, dass ich mich ab und an verdrücken konnte und niemanden mehr zu sehen brauchte. Jeder konnte sich einen eigenen Flügel aussuchen. Manchmal vergingen Wochen, in denen ich nichts von dem mitkriegte, was die anderen machten. Mann, weißt du noch, als Jean-Michel Basquiat eine Woche lang da war? Nein. Möglich, dass ich da gerade im Ostflügel war. Alle paar Monate suchten wir uns ein anderes Schlafzimmer, nur so, wegen der Abwechslung. Manchmal sah ich Roy zwei Wochen lang nicht, weil ich nicht wusste, wo sein Zimmer gerade war.
Der Besitzer ließ an dem Haus nie was reparieren, es verfiel immer mehr. Wenn mir mein aktuelles Schlafzimmer zu baufällig wurde, dann nahm ich mir ein anderes - glücklicherweise gab es ja ungefähr fünfzehn davon. Eines Tages landete ich auf dem Dachboden. Das war der letzte
noch verbliebene Raum! Er war riesig, so groß wie eine Kathedrale. Ich hatte mein Bett, Fernseher und Schreibtisch, drehte einfach den Schlüssel um und ließ keinen mehr rein. Zu der Zeit wussten wir schon, dass wir nicht mehr lange bleiben konnten. Der Kasten fiel langsam in sich zusammen. Oder wir hatten ihn zerstört. Deshalb siedelten wir in unsere letzte Villa nach Mill Neck, am Rand der Oyster Bay um.
Um 1983 herum hatte Anita Probleme wegen ihres Visums, musste nach England zurück und blieb dort. Sie kam nur noch gelegentlich zu Besuch. Dieses letzte gigantische Haus mit zwölf oder dreizehn Schlafzimmern hat sie also nicht mehr erlebt. Im Winter war das Haus unglaublich kalt. In einem der Wohnzimmer gab es einen Kamin. Roys Zimmer hatte Heizung, Berts auch, die Küche war unser Treffpunkt. Wenn man auf den Gang rausging, musste man sich einen Mantel anziehen. Das Haus hatte einen Fahrstuhl ins obere Stockwerk, wo unsere Zimmer lagen. Eines Tages gab der Fahrstuhl seinen Geist auf, und wir verließen zwei Wochen lang nicht das Haus. Dann entdeckten wir, dass jemand die Haustür offen gelassen und sich das gesamte Erdgeschoss in einen eisigen Ballsaal mit Eiszapfen an den Kronleuchtern verwandelt hatte. Wie in Narnia. Oder Gormenghast. Die afrikanischen Frösche, die wir als Haustiere hatten, waren in ihrem Aquarium in einem
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