Life - Richards, K: Life - Life
hatte er Wäscheleinen gespannt, an denen benutzte Kondome hingen. Ein sehr seltsamer Mensch.
Dann sind wir für sechs Monate nach Sands Point auf Long Island gezogen, in das Haus, in dem vorher Mick Taylor gewohnt hatte. Die erste Verfilmung von Der Große Gatsby ist da gedreht worden, Sands Point heißt im Film East Egg. Wir hatten zwar Tausende Quadratmeter Rasen, einen riesigen Privatstrand und einen Salzwasserpool, aber das ganze Anwesen rottete vor sich hin. Wir glaubten, aus dem Gartenpavillon Zwanziger-Jahre-Jazz und Geräusche von Dinnerpartys mit klingenden Gläsern und Gelächter zu hören, die sich jedoch verflüchtigten, wenn wir näher kamen. Im Haus gab es Hinweise auf die Mafia. Auf dem Dachboden fand ich Familienfotos mit Frank Sinatra, Dean Martin und den anderen Burschen vom Rat Pack, als sie in den Fünfzigern dort zu Gast waren. Roy tauchte damals zum ersten Mal bei uns auf, später zog er dann auf Dauer
ein. Anita hatte den verrückten Engländer aus dem Mudd Club mitgebracht, wo seine Nummer darin bestand, Witze zu reißen, zu quatschen und ein Gedicht von Shel Silverstein über einen Jungen namens Gimmesome Roy zu rezitieren, das »The Perfect High« hieß, während er eine ganze Flasche Cognac trank und sich langsam seiner Klamotten entledigte. Das alles für eine Gage von zweihundert Dollar und eben diese Flasche Cognac. Erst wohnte er auf dem Dachboden, den er aber im Rausch völlig demolierte. Er war furchteinflößend. Morgens trank er eine Flasche Cognac und sang dazu. Wir mussten ihn aus dem Haus schmeißen und quartierten ihn in der Hundehütte ein, die so groß war wie ein Schuppen. Er freundete sich mit dem Labrador an und sang ihm den ganzen Tag etwas vor. Der Frühling war mild, also konnte er es da draußen ganz gut aushalten.
Anita schleppte noch andere Künstler aus der experimentellen Ecke an. Der Schriftsteller und Beat-Poet Mason Hoffenberg wohnte oft bei uns. Dieser bärtige jüdische Zwerg saß nackt im Garten und pöbelte jeden Autofahrer an, der an unserem Grundstück vorbeirollte. Er machte gerade seine naturalistische Phase durch, was für Long Island ein bisschen erschreckend war. Wir nannten ihn den Gartenzwerg. Er blieb ziemlich lange in jenem Sommer.
Nachdem Roy mit Keith auf Tournee gewesen war, wurde er ein fester Bestandteil unseres Haushalts. Das war Ende 1981, als wir in eine andere riesige Villa nach Old Westbury zogen, wo wir bis 1985 blieben. Wir vier lebten allein in diesem gewaltigen halbverfallenen Haus ohne Möbel und ohne Heizung, aber mit einem wunderschönen Ballsaal, in dem ich immer Rollschuh lief. In den Zwanzigern waren
die Wände mit Leinwand bespannt und bemalt worden. Jetzt hing sie in Fetzen herunter. Als wir wieder auszogen, sah das Gebäude mit den zwei großen Treppen und den zwei Seitenflügeln aus wie der Landsitz vom Miss Havisham.
Das einzige Möbelstück war ein großer weißer Bösendorfer-Flügel, an dem Roy immer seine Liberace-Nummer abzog. Am anderen Ende des Ballsaals stand mein Schlagzeug - Roy und ich jammten gelegentlich zusammen. Wir hatten eine gute Stereoanlage und die Platten von Keith. Wir legten also eine Scheibe auf und wurstelten herum, bis Roy zum Abendessen eine Dose aufmachte. Was willst du heute Abend, ich hätte da Fleisch aus der Dose oder … So wurde ich Vegetarier. Nein, Roy, bitte, nie wieder Dosenfleisch, vielen Dank.
Anita machte eine sehr selbstzerstörerische Phase durch. Ihr ging es gar nicht gut. Wenn sie aus New York zurückkam, trank sie viel, um von dem Zeug, das sie dort genommen hatte, wieder runterzukommen, und kriegte dann in ihrem Rausch gewalttätige Wutanfälle. Trotzdem besuchten uns wegen Anita ständig interessante Leute - Jean-Michel Basquiat und Robert Fraser waren da und Anitas Punk-Freunde, die Typen von den Dead Boys und ein paar von den New York Dolls. Es war ziemlich verrückt. Ich glaube nicht, dass Anitas Beitrag zur Punk-Bewegung jemals gewürdigt wurde. Viele Punks, zumindest die aus New York, kamen übers Wochenende zu uns raus. Wenn Anita aus dem Mudd Club oder dem CBGBs zurückkam, war der Wagen immer voller Irrer mit rosaroten Haaren. In der Regel waren das nette Typen, etwas linkische, aber clevere jüdische Kids.
Hin und wieder fuhr Roy mit einem Stapel Rechnungen ins Büro nach New York und kam mit großen Umschlägen voller Hundert-Dollar-Scheine wieder zurück. Das war das Geld für den Monat. Es war saukomisch. Ich hielt also mein Taschengeld in der Hand, einen
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