Life - Richards, K: Life - Life
während das Sofa umkippte. Um ein Haar wären wir beide aus dem Fenster gestürzt. Wir bekamen einen Riesenschreck. Als das Sofa kippte, starrten wir auf die Fensteröffnung und dachten nur: Scheiße, verdammt! Das war knapp! An das Weitere kann ich mich kaum noch erinnern. Auf jeden Fall wusste er jetzt, was Sache war.
Seitdem ist Ronnie immer mal wieder auf Entzug gewesen. Vor nicht allzu langer Zeit habe ich ein Schild an die Tür seiner Umkleide geklebt: » Rehab? Gib’s auf!« Das konnte er so oder so verstehen. Zum Beispiel so: Mach nur weiter so - diese Kliniken bringen dir rein gar nichts, du wirst nur eine Menge Geld los, und
hinterher fängst du sowieso wieder damit an. Auch für Spielsüchtige gibt es Einrichtungen, und so eine frequentierte Ronnie. Eigentlich ging es ihm nur darum, dem Druck zu entfliehen. Von einer netten kleinen Klinik, die er aufgetan hatte, erzählte er besonders gerne: »Ich hab da einen tollen Laden in Irland entdeckt«, sagte er, und das ist O-Ton. Ach ja, und was machen die da so? Nichts, das ist ja das Tolle. Gleich bei meiner Ankunft hab ich gefragt: Okay, was sind die Regeln? »Es gibt keine Regeln, Mr. Wood.« Das heißt, eine gibt es schon, und zwar: keine Anrufe, keine Besuche. Großartig! Ich muss also überhaupt nichts tun? Nein. Abends lassen die uns sogar für drei Stunden in den Pub. Da hockte er dann mit seinen Spielerkollegen, lauter Typen wie er, die sich vor irgendwas verstecken, die auch den Alltagsstress vergessen wollten.
Einmal, als er aus dem Entzug zurückgekommen war, sah ich ihn an und sagte: »Jetzt ist er in Ordnung. Ich kenne ihn völlig breit, und ich kenne ihn stocknüchtern. Ehrlich gesagt, ist der Unterschied gar nicht so groß. Aber jetzt wirkt er ein bisschen konzentrierter.« Zu dieser Aussage stehe ich im Großen und Ganzen immer noch, und das ist eigentlich das Komische an der Sache. Da pfeift er sich haufenweise teuren Stoff rein und gibt haufenweise Geld aus, um wieder davon loszukommen, aber im Grunde ist es scheißegal. Okay, vielleicht schaut er dir ein bisschen offener in die Augen, aber sonst … Anders ausgedrückt, der Stoff ist gar nicht das Entscheidende; es geht um irgendwas anderes. »Das kannst du nicht verstehen, Mann.«
Ronnie und ich sind durch dick und dünn gegangen, und das merkt man auch. Bei einem denkwürdigen Ereignis ein Jahr nach unserem Streit und seinem Abschied von der Crackpfeife brauchte ich einen Ronnie in absoluter Topform. Er musste alles richtig
machen, und er hat mich nicht enttäuscht - er war großartig! Ich hatte ihn gebeten, nach Redlands zu kommen, zu meinem ersten Wiedersehen mit meinem Vater nach zwanzig Jahren.
Ich hatte Angst davor, Bert zu treffen. Für mich hatte er sich nicht verändert, seit ich ihn als Teenager verlassen hatte. Von Verwandten, die ihn ab und zu sahen, wusste ich immer so ungefähr, wie es ihm ging: Er sei in Ordnung, hieß es, würde in seiner Stammkneipe rumhängen. Meine Furcht rührte vor allem von meinen zwischenzeitlichen Eskapaden her. Deshalb hatte ich so lange gezögert, zwanzig Jahre lang. Für meinen Vater musste ich der allerletzte Kriminelle sein! Waffen, Drogen, Verhaftungen - bestimmt schämte er sich in Grund und Boden. Ich hatte ihn erniedrigt, restlos enttäuscht. So sah es in meinem Kopf aus. Und jede verdammte Schlagzeile - »Erneuter Drogenskandal um Richards« - machte es mir noch schwerer, mit meinem Vater in Kontakt zu treten. Wahrscheinlich ist es besser für ihn, mich nicht zu sehen, sagte ich mir.
Heute braucht es eine ganze Menge, um mir Angst einzujagen, aber als Kind konnte ich mir nichts Schlimmeres vorstellen, als meinen Dad zu enttäuschen. Schüttelte er den Kopf über mich, war ich am Boden zerstört. Dann war ich vollkommen isoliert, hatte mich praktisch in Luft aufgelöst. Wie schon erwähnt, brachte mich allein die Vorstellung, seine Erwartungen nicht zu erfüllen, immer noch zum Heulen. Diese ganzen Gefühle hatten sich über die Jahre noch verstärkt. Dann erzählte mir eines Tages Gary Schultz, wie sehr er es bereute, vor dem Tod seines Vaters nicht mit ihm ins Reine gekommen zu sein. Und das überzeugte mich. Doch ganz im Innern war mir von jeher klar gewesen, dass es irgendwann so weit sein würde.
Mit Hilfe seiner Verwandten hatte ich ihn bald aufgespürt. All die Jahre hatte er im Hinterzimmer eines Pubs in Bexley gehaust.
Anscheinend wollte er nie was von mir, oder zumindest war er nie auf mich zugegangen. Also schrieb ich
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