Life - Richards, K: Life - Life
war. Aber wir hatten ja schließlich nur uns, die Band. In meinen Augen ergab es keinen Sinn, uns jetzt zu zerstreiten. Unsere Reihen waren ohnehin sehr ausgedünnt: Es gab nur noch Mick, mich, Charlie und Bill.
Ein Satz aus dieser Zeit klingt mir bis heute in den Ohren: »Ach, halt’s Maul, Keith.« Ständig sagte er das, bei Besprechungen und jeder anderen Gelegenheit. Kaum versuchte ich, einen Gedanken zu äußern, kam ein »Ach, halt’s Maul, Keith. Erzähl keinen Mist.« Ihm fiel das selbst schon gar nicht mehr auf, aber er war wirklich unverschämt. Gut, wir kennen uns seit Ewigkeiten, ich lasse ihm alles Mögliche durchgehen. Aber man ärgert sich doch darüber, denn so was tut weh.
Während meiner Aufnahmen zu »All About You« schleppte ich Earl McGrath, den nominellen Chef von Rolling Stones Records, aufs Dach der Electric Lady Studios. Wir genossen den wundervollen Blick auf New York, und ich sagte: Entweder regelst du das zwischen Mick und mir, oder … Du siehst doch das Pflaster da unten? Mit dem könntest du bald Bekanntschaft machen. Ich hielt ihn buchstäblich am Kragen über den Abgrund. Ist das nicht deine Aufgabe, zwischen Mick und mir zu vermitteln? Also, was ist los? Aber man kann da kaum was machen.
Earl war ein lieber Kerl. Mir war schon klar, dass diese Aufgabe seine Fähigkeiten überstieg, zumindest an den Abenden, an denen es richtig heftig wurde. Trotzdem wollte ich ihn wissen lassen, wie ich die Sache sah. Irgendwas musste ich tun, und ich konnte ja schlecht Mick aufs Dach schleppen und ihn runterschmeißen.
Auch Ronnie kam mir abhanden, wenn auch nur vorübergehend und aus völlig anderen Gründen. Ronnie verlor sich nämlich. Er hatte sich aufs Freebasing verlegt. Um 1980 siedelte er sich mit Jo im Mandeville Canyon an, wo er eine kleine Gang hatte, eine Clique, die dasselbe Hobby pflegte. Crack ist schlimmer als Heroin. Das Zeug habe ich nie angerührt, nie, nie, nie. Der Geruch gefiel mir nicht, und erst recht nicht, was es mit seinen Konsumenten anstellte. Als ich einmal bei Ronnie war, waren er und Josephine und alle anderen voll drauf. Beim Freebasing verschwindet alles andere, die ganze übrige Welt. Und tschüss! Tausend bescheuerte Typen scharwenzelten um Ronnie herum, Idioten in Stroh-Cowboyhüten mit Federn dran. Ich fand ihn auf dem Klo, ihn und lauter miese kleine Dealer und Schleimer, die sich in der Toilette drängten und herumtelefonierten, um noch mehr Dreck zum Crackrauchen ranzuschaffen. In der Badewanne erhitzte einer gerade die nächste Dosis über der Flamme. Egal, ich ging trotzdem scheißen. Hey, Ron! Keine Antwort, als wäre ich gar nicht da. Schade, dachte ich mir, aber Ronnie ist hinüber. Immerhin wusste ich jetzt, woran ich war; ab jetzt wurden andere Saiten aufgezogen. Ronnie, sagte ich, warum tust du dir das an? Ach, erwiderte er, du verstehst das nicht. Ach ja? Das kam mir bekannt vor. Die typische Kifferausrede, kannte ich seit Jahren. Aber gut, dann schauen wir halt mal, wie es läuft.
Bei der US-Tournee’81 wollte ihn keiner dabeihaben - Ronnie war wirklich völlig neben der Spur. Aber ich sagte: Ich bürge für ihn. Das bedeutete, dass ich persönlich die finanziellen Garantien
für die Versicherungen der Tour übernahm und versprach, dass Ronnie sich nicht danebenbenehmen würde. Ich tat alles, damit die Stones wieder auf Tour gingen, und ich dachte mir, den krieg ich schon in den Griff. Mitte Oktober waren wir dann mit der J. Geils Band in Frisco. Wir logierten im Fairmont Hotel, das einen Ost- und einen Westflügel hat, ein bisschen wie der Buckingham Palace. Ich war in dem einen Flügel, Ronnie im anderen, als ich auf einmal hörte, bei ihm würde eine große Freebase-Party steigen. Was für eine elende Verantwortungslosigkeit! Dabei hatte er mir noch versprochen, den Scheiß bleiben zu lassen, solange wir unterwegs waren. In diesem Moment senkte sich wieder der rote Schleier über meine Augen. Ich stürmte die Treppe runter, quer durch die Lobby des Fairmont, während Patti mich noch anflehte: Bitte nicht ausrasten, bitte nicht! Sie zerriss mir buchstäblich das Hemd. Scheiß drauf, sagte ich, ich hab meinen Kopf für ihn hingehalten, und jetzt riskiert er die Band. Mich konnte der Mist locker ein paar Millionen kosten, und die Tour wäre erst recht gelaufen. Als er die Tür öffnete, schlug ich ihm einfach ins Gesicht. Hier, du Arsch! Er stolperte nach hinten übers Sofa und ich, von meinem Schlag mitgerissen, über ihn drüber,
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