Life - Richards, K: Life - Life
unterhielten uns über das, worüber sich Ex-Junkies immer unterhalten, nämlich über Heroin. Warum wir uns das angetan haben und so weiter. Die gemeinsame Sinnsuche gipfelte dann in einer sogenannten Backstage-Hochzeit, was im Showbusiness so viel bedeutet wie: Man heiratet, ohne wirklich zu heiraten. Doch, man gibt sich das Jawort und so weiter, nur eben oben auf der Treppe hinter der Bühne. Sie steckte mir einen Ring an, ich steckte ihr einen Ring an, und seitdem heißt sie für mich Etta Richards. Etta weiß schon, wie ich das meine.
Als Theodora und Alexandra geboren wurden, lebten Patti und ich in New York City, in einem Apartment in der Fourth Street. Da uns die Fourth Street nicht gerade die ideale Umgebung für Kinder
zu sein schien, zogen wir nach Connecticut und bauten ein Haus auf einem Stück Land, das ich gekauft hatte. Landschaftlich ähnelt die Gegend dem New Yorker Central Park: Aus der Erde brechen große, flache Felsen und Findlinge hervor, grauer Schiefer und Granit, rundherum sind üppige Wälder. Um das Fundament zu legen, mussten wir tonnenweise Stein wegsprengen, und so taufte ich das Haus auf den Namen »Camelot Costalot«. Eingezogen wurde erst 1991. Direkt nebenan liegt ein Naturschutzgebiet, eigentlich ein alter Indianerfriedhof, einst ein bevorzugter Jagdgrund der Irokesen, und über den Wäldern schwebt eine solche urzeitliche Stille, dass es den Geistern der Vorfahren dort sicher gut gefällt. Ein Tor führt vom Garten mitten in den Wald, in dem wir lange Streifzüge unternehmen.
Als ich um 2001 herum mit George Recile arbeitete, liefen wir zu einem sehr tiefen Waldsee, in den sich ein Wasserfall ergießt. Eigentlich darf man dort nicht fischen, aber wir machten einen auf Tom Sawyer und Huckleberry Finn und versuchten, einen dieser unglaublichen Fische zu fangen, einen Oscar - große, sehr schmackhafte Viecher. George, ein echter Angelexperte, meinte, nördlich von Georgia dürfte man sie eigentlich gar nicht nicht zu Gesicht bekommen. Dann erst recht, sagte ich! Plötzlich spüre ich einen enormen Zug an der Schnur - und kurz darauf wackelte eine dicke, fette Schnappschildkröte aus dem Wasser, mit meinem Fisch im Maul! Grün, schleimig und groß wie ein Ochse, ein verdammter Dinosaurier. Ich wünschte, ich hätte den Schrecken auf unseren Gesichtern mit meiner Kamera einfangen können. Das Vieh sah richtig sauer aus, als könnte es jeden Moment zuschnappen. Diese Viecher können ihren Hals tatsächlich einen guten Meter ausfahren. Ein unglaubliches Biest, sicher um die dreihundert Jahre alt. Wir verwandelten uns in Höhlenmenschen. Scheiße! Mit dem Monster ist nicht zu spaßen! Ich ließ die Angel fallen, schnappte
mir einen großen Stein und prügelte damit auf den Rückenpanzer ein. »Du oder ich, Kumpel, du oder ich!« Das sind brutale Tiere, die können dir locker mal den Fuß abbeißen. Doch dieses Exemplar zog sich glücklicherweise zurück. Solche uralten, riesigen Kreaturen, die irgendwo in der Tiefe lauern, finde ich verdammt beängstigend. Das letzte Mal, als dieses Fabeltier aus der Tiefe aufgetaucht war, hat es wahrscheinlich den Irokesen Hallo gesagt.
Abgesehen von meinen Wildererausflügen, die ich seit diesem Ereignis nicht mehr unternommen habe, führe ich das Leben eines Gentlemans. Ich höre Mozart und lese viel. Da bin ich unersättlich - ich lese alles, was ich in die Finger kriege. Was mir nicht gefällt, kommt eben in die Tonne. In der Belletristik bevorzuge ich George MacDonald Fraser, die Flashmans und Patrick O’Brian. Letzterer hat es mir sofort angetan, angefangen mit Master and Commander . Gar nicht so sehr wegen Nelson oder der napoleonischen Ära, sondern vielmehr wegen der zwischenmenschlichen Beziehungen, die sich vor dieser Seefahrerkulisse abspielen. Natürlich gibt es mehr Konfliktpotenzial, wenn man seine Figuren mitten auf dem gottverdammten Meer aussetzt. Die Charaktere sind sorgfältig ausgearbeitet, und so etwas weiß ich zu schätzen. Eigentlich handelt das Buch von Freundschaft - Jack Aubrey und Stephen Maturin erinnern mich immer ein bisschen an Mick und mich. Überhaupt interessiere ich mich für Geschichte, insbesondere für die britische Marine in dieser Zeit. Mit der Army war damals nicht viel los; die Marine war viel spannender, zumal ein großer Teil der Truppe zwangsrekrutiert wurde. Das Ganze war eine Riesenmaschinerie, die nur funktionierte, wenn man es schaffte, einen Haufen widerwilliger Kerle zu einer intakten
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