Life - Richards, K: Life - Life
nein, nein!« Aber es war zu spät. Und dann die Antwort: »Das Warten hat ein Ende. Wir machen es.« Keith kam ins RCA, ein riesiges Studio mit hohen Decken. Alan Rogan, seinen Gitarrenträger, und circa hundertfünfzig Gitarren hatte er auch dabei.
Jeder liebt Musik. Die Frage ist, ob die Musik dich liebt - das ist das Entscheidende. Und dieses Gefühl hatte ich bei Keith sofort. Man muss Respekt haben vor dem Prozess des
Musizierens. Nicht du schreibst die Musik, sie schreibt dich. Du bist ihre Flöte, ihre Trompete, ihre Saite. Bei Keith ist das nicht zu übersehen. Er ist wie eine gusseiserne Bratpfanne, aus einem Stück. Egal, wie heiß sie wird, sie springt nicht. Sie verändert nur die Farbe.
Wenn du einen Typen nur von seinen Platten her kennst, machst du dir natürlich gewisse Vorstellungen, aber die wirkliche Begegnung ist etwas ganz anderes und im Idealfall besser als erwartet. Bei Keith war es so. Erst umkreisten wir uns wie Hyänen, dann blickten wir zu Boden, lachten und legten los. Wir ließen ein bisschen Wasser in den Swimmingpool ein. Keith ist das reinste Raubtier, er verfügt über einen untrüglichen Instinkt. Auf Rain Dogs ist er auf drei Songs zu hören: »Union Square«, »Blind Love«, wo wir zusammen singen, und »Big Black Mariah«, wo er einen tollen Rhythmuspart spielt. Deswegen ist mir diese Platte heilig, ganz egal, wie sie sich verkauft hat. Ein paar Jahre später verabredeten wir uns wieder, diesmal in Kalifornien. Jeden Tag trafen wir uns im Brown Sound, einem dieser muffigen alten Proberäume, ein Zimmer ohne Fenster, aber mit Teppich an den Wänden und Dieselgestank in der Luft. Wir setzten uns hin und schrieben Songs. Du musst dich absolut wohlfühlen, um irgendwelche verdrehten, auf den ersten Blick ziemlich verrückten Ideen rauszuhauen. Das geht nicht mit jedem, du musst dich dabei richtig entspannen. Auf dem Weg zum Studio nahm ich einmal einen Baptistenprediger auf, so einen Sonntagmorgen-Gospeltypen; die Predigt stand unter dem Motto: »Des Tischlers Werkzeuge«. Die ganze Zeit erzählte er von diesen Werkzeugen, wie der Tischler in seine Tasche greift und alle möglichen Teile rausholt … Wir lachten uns halbtot. Später spielte Keith mir »Jesus Loves Me«
vor, eine Aufnahme von Aaron Neville von einer Probe, also rein a cappella. Keith mag ungeschliffene Diamanten, Zulumusik, Pygmäenmusik, obskure, abwegige, kaum einzuordnende Klänge. Wir schrieben einen Haufen Songs, unter anderem »Motel Girl« und »Good Dogwood«. Und »That Feel«, das später auf Bone Machine landete.
Was Keiths Projekte angeht, gehört Wingless Angels zu meinen absoluten Lieblingen. Das hat mich wirklich umgehauen. Vor allem wegen der Grillen, die man am Anfang hört - hey, wir befinden uns im Freien! Dass er dazu beigetragen hat, diese Klänge auf Platte zu verewigen, ist für mich typisch Keith, vielleicht noch typischer als später, während unserer gemeinsamen Zeit. Eigentlich ist Keith ein einfacher Arbeiter, ein Matrose, ein Handlanger. Manche Legenden über die Kraft der Musik treffen perfekt auf ihn zu. Früher hieß es, der Klang einer Gitarre könnte Gicht und Epilepsie, Ischias und Migräne heilen. Ich glaube, heute wird allgemein zu wenig gestaunt. Doch Keith scheint noch immer zu staunen. Manchmal hält er plötzlich inne, hebt seine Gitarre in die Höhe und starrt sie einfach an. Als könnte er sich das alles überhaupt nicht erklären. Es ist wie mit allen großartigen Phänomenen dieser Welt, wie mit Frauen, Religion, dem Himmel - man staunt darüber, und das Staunen nimmt kein Ende.
1980 flogen Bobby Keys, Patti, Jane und ich nach Nashville, auf einen Besuch bei den verbliebenen Crickets. Offensichtlich war das eine große Sache, da wir extra einen Learjet mieteten. Jerry Allison alias Jivin’ Ivan, der Drummer der Crickets und der Kerl, der zwischenzeitlich mit der echten Peggy Sue verheiratet war, nahm uns vor den Toren Nashvilles in Empfang, auf seiner White
Trash Ranch (so hat er sie selbst getauft) in Dickson, Tennessee. Buddy Hollys Bassist Joe B. Mauldin war auch zugegen, und Don Everly kam ebenfalls vorbei. Mit Don zusammenzusitzen und zu spielen … Ich meine, den Typen hatte ich vor zwanzig Jahren im verdammten Radio gehört! Ich war ein Fan der ersten Stunde. Für mich war es schon eine Ehre, mit diesen Kerlen im selben Raum zu sein.
Außerdem unternahm ich einen wundervollen Abstecher zu den Bradley Barn Sessions, um ein Duett mit George Jones aufzunehmen:
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