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Life - Richards, K: Life - Life

Titel: Life - Richards, K: Life - Life Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Richards
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Beste, was mir damals passierte, war
mein Eintritt bei den Pfadfindern. Der Gründer der Bewegung, Robert Baden-Powell, war ein wirklich netter Kerl mit einem guten Gespür für die bevorzugten Freizeitvergnügungen kleiner Jungs. Er hielt die Pfadfinder für eine entscheidende Stütze des British Empire. Und da kam ich ins Spiel, als Mitglied der Seventh Dartford Scouts, Beaver Patrol. Was das Empire natürlich nicht daran hinderte, trotzdem deutliche Anzeichen eines bevorstehenden Zusammenbruchs zu zeigen. Mit Charakterfragen oder Knotenknüpfen hatte das allerdings nichts zu tun.
    Mein Ausflug in die Pfadfinderwelt dürfte sich kurz vor meinem eigentlichen Gitarrenzeitalter ereignet haben, vielleicht sogar bevor ich ein eigenes Instrument hatte. Als ich erst mal richtig Gitarre spielte, hatte ich meine eigene Welt gefunden.
    Die Pfadfinder waren eine andere Welt, fernab von der Musik. Ich wollte wissen, wie man in der Wildnis überlebt. Deshalb hatte ich alle Bücher von Baden-Powell gelesen, und deshalb musste ich nun auch all diese Kniffe erlernen: Wie man sich orientiert, wie man etwas im Erdboden gart und so weiter. Ich weiß nicht mehr, warum, aber ich hielt es für unverzichtbar, diese Fähigkeiten zu beherrschen. Im Garten hatte ich ein Zelt aufgestellt, in dem ich stundenlang herumhockte und beispielsweise rohe Kartoffeln aß. Ich lernte, wie man ein Huhn rupft. Wie man ein Tier ausweidet, was man drinlassen kann und was man besser rausnimmt. Und ob man die Haut aufheben sollte. Ist die zu irgendwas zu gebrauchen? Vielleicht für ein hübsches Paar Handschuhe? Es war wie bei einer militärischen Spezialeinheit, nur in klein. Vor allem war es eine gute Gelegenheit, mit einem Messer im Gürtel herumzustolzieren. Für viele war das die Hauptattraktion. Das Messer bekam man erst, nachdem man sich ein paar Abzeichen verdient hatte.
    Die Beaver Patrol hatte einen eigenen Schuppen, den brachliegenden Gartenschuppen des Vaters von einem aus unserer Truppe,
den wir für uns requiriert hatten. Dort wurden die Planungssitzungen abgehalten. Was sollte die Patrouille anstellen? Der eine war Experte dafür, der andere hierfür. Wenn wir nicht gerade auf Ausflügen nach Bexleyheath oder Sevenoaks unterwegs waren, saßen wir herum, redeten und rauchten. Angeführt wurden wir von Scout Leader Bass. Damals kam er mir uralt vor, aber wahrscheinlich war er gerade mal um die zwanzig. Bass hatte eine tolle, positive Art. »Alle mal herhören«, rief er, »heute beschäftigen wir uns mit Knoten. Trompetenknoten, Palstek, laufender Palstek.« Wir mussten auch zu Hause üben. Wie man ein Feuer entzündet, natürlich ohne Streichhölzer. Wie man einen Ofen baut, wie man ein Feuer macht, das nicht qualmt. Die ganze Woche war ich im Garten und übte. Nicht, dass ich zwei Stöckchen aneinandergerieben hätte, das konnte man bei unserem Klima vergessen. In Afrika oder einer anderen weniger feuchten Gegend klappte das vielleicht, aber nicht hier. Also musste man sich mit Lupe und Reisig begnügen. Und dann waren plötzlich drei, vier Monate ins Land gegangen, ich hatte vier, fünf Abzeichen gesammelt und wurde zum Patrol Leader befördert. Mein Hemd war voller Abzeichen, es war schier unglaublich! Keine Ahnung, wo mein Pfadfinderhemd abgeblieben ist, aber es war ein echtes Schmuckstück, übersät mit Tressen und Schnüren und Plaketten. Ich sah aus wie ein Bondage-Jünger.
    Diese Erfahrung, besonders meine rasche Beförderung in die höheren Ränge, steigerte mein Selbstvertrauen enorm. Das hatte ich unmittelbar nach dem Rausschmiss aus dem Chor auch bitter nötig. Ich glaube, ich kapiere erst jetzt, im Nachhinein, wie wichtig diese Pfadfinderphase war. Ich hatte eine gute Truppe unter mir, ich konnte auf meine Jungs zählen. Auf uns war Verlass - mehr oder weniger. Okay, die Disziplin ließ manchmal etwas zu wünschen übrig, aber wenn es hieß: »Das ist eure Aufgabe für den
heutigen Tag«, dann zogen wir es durch. Allerdings war da auch das große Sommerlager in Crowborough. Wir hatten den Brückenbauwettbewerb gewonnen, was wir am Abend mit Whiskey begossen. Und das mündete in eine Keilerei im Rundzelt. Es war stockdunkel, alle schlugen blind um sich und demolierten irgendwelchen Kram beziehungsweise vorrangig sich selbst. Da habe ich mir zum ersten Mal was gebrochen - als ich mitten in der Nacht gegen die Zeltstange krachte.
    Nur einmal, gegen Ende meiner Pfadfinderlaufbahn, ließ ich meine Autorität spielen. Wir hatten einen

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