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Life - Richards, K: Life - Life

Titel: Life - Richards, K: Life - Life Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Richards
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neuen Rekruten in der Patrouille, einen unglaublichen Idioten, der jedem auf die Nerven ging. Ich fragte mich: »Warum soll ich diesen Penner in meine wundervolle Elitepatrouille aufnehmen? Ich bin doch nicht hier, um irgendwelche Rotznasen zu erziehen. Warum ausgerechnet ich?« Dann hatte er irgendwas ausgefressen, und ich gab ihm einfach eine Ohrfeige. Nimm das, du Arsch! Im nächsten Moment musste ich mich vor dem Disziplinarausschuss verantworten und mir ihre beschissenen Ermahnungen anhören. »Offiziere verabreichen keine Ohrfeigen« und so weiter.
    Später, auf Tour mit den Stones, stolperte ich beim Fernsehen in einem Sankt Petersburger Hotel über die Übertragung einer Feier zum hundertsten Jubiläum der Pfadfinder. Die Zeremonie wurde auf Brownsea Island abgehalten, wo Baden-Powell sein erstes Lager gegründet hatte. Ich stand auf, in dem leeren Hotelzimmer, hob die drei Finger zum Gruß und sagte: »Patrol Leader, Beaver Patrol, Seventh Dartford Scouts, Sir.« Ich hatte einfach das Bedürfnis, mich zum Dienst zu melden.
    Im Sommer vertrieb ich mir die Zeit mit diversen Jobs. Meistens stand ich in irgendwelchen Läden hinter der Theke. Oder ich durfte Zucker verladen, hinten im Lagerraum des Supermarkts. Das kann ich wirklich nicht empfehlen. Die Zuckersäcke sind riesig,
und Zucker ist ein verdammt scharfkantiges und klebriges Zeug, das dich richtiggehend aufschlitzen kann. Also packst du dir den lieben langen Tag Zuckersäcke auf die Schultern, und am Schluss läuft dir das Blut runter. Und dann musst du den Kram auch noch eintüten. Diese Erfahrung hätte mir das Zeug eigentlich endgültig verleiden müssen. Aber Pustekuchen. Vor dem Zucker kam bei mir allerdings noch die Butter. Wer heute in den Laden geht, sieht dort hübsch verpackte Butterstückchen, aber früher wurde die Butter in riesigen Blöcken geliefert. Die mussten wir dann zerhacken und einwickeln. Wir wurden über die korrekte Doppelfaltung und das korrekte Gewicht belehrt, und zu guter Letzt durften wir die Dinger ins Regal räumen und sagen: »Sieht das nicht nett aus?« Obwohl wir wussten, dass es hinten von Ratten und weiß der Teufel was noch allem wimmelte.
    Etwa zur selben Zeit, zu Beginn des Teenageralters, hatte ich noch einen anderen Job: Fahrer bei der Bäckerei. Ein echtes Aha-Erlebnis für einen dreizehn-, vierzehnjährigen Jungen. Wir mussten die Kohle eintreiben - zwei Typen, ein kleines Elektroauto und ich. Samstags und sonntags fuhren wir durch die Gegend und versuchten, den Kunden ihr Geld abzupressen. Irgendwann dämmerte mir, dass ich nur als Statist dabei war, zum Schmierestehen, während meine Kollegen sagten: »Mrs. X … jetzt sind Sie schon zwei Wochen in Verzug.« Manchmal musste ich auch im eiskalten Wagen warten, bis der Bäcker zwanzig Minuten später mit rot angelaufenem Gesicht aus der Haustür trat und sich den Hosenstall zuzog. Langsam, ganz langsam kapierte ich, in welcher Währung hier gezahlt wurde. Und dann waren da die alten Damen, die offensichtlich so gelangweilt waren, dass sie sich die ganze Woche auf den Besuch der freundlichen Bäckersleute freuten. Sie servierten uns Kuchen aus unserem eigenen Laden nebst einer hübschen Tasse Tee, wir machten es uns gemütlich und schwatzten. Bis wir
plötzlich feststellten, scheiße, jetzt sitzen wir hier schon eine volle Stunde, die Tour bringen wir niemals bei Tageslicht über die Bühne. Aber im Winter freute ich mich immer auf die reizenden alten Damen. Sie hatten so was von Arsen und Spitzenhäubchen , sie lebten einfach in ihrer eigenen Welt.
    Während ich meine Knoten studierte, entging mir völlig, dass Doris ein paar ganz andere Sache am Laufen hatte. Erst Jahre später kam ich dahinter: Circa 1957 fing sie ein Verhältnis mit Bill an, meinem späteren Stiefvater Bill Richards. 1963 zogen sie zusammen, und 1998 heirateten sie. Er war unter dreißig, sie über vierzig. In meiner Erinnerung ist Bill einfach immer irgendwie dabei. Er war Taxifahrer und fuhr uns daher ständig irgendwohin. Immer, wenn irgendwer oder irgendwas gefahren werden musste, war er zur Stelle. Er kutschierte uns sogar in den Urlaub, Mum, Dad und mich. Ich war noch viel zu jung, um zu kapieren, was zwischen Bill und Doris ablief. Für mich war er einfach nur Onkel Bill. Was Bert dabei durch den Kopf ging, weiß ich nicht. Ich dachte immer, Bill wäre Berts Freund, ein Freund der ganzen Familie.
    1957 tauchte Bill plötzlich auf, praktisch aus dem Nichts - und zwar mit Auto. Das gab

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