Life - Richards, K: Life - Life
gemacht hatte. Glücklicherweise kriegte ich noch mit, wie er hieß. Der Empfang von Radio Luxemburg war gerade rechtzeitig wieder da: »Das war Elvis Presley mit ›Heartbreak Hotel‹.« Wahnsinn!
Circa 1959, ich war eben fünfzehn geworden, kaufte Doris mir meine erste Gitarre. Ich spielte zwar bereits, wenn ich eine in die Hände bekommen konnte, aber ohne eigenes Instrument kann man nur ein bisschen herumklimpern. Meine erste Gitarre war eine Rosetti für rund zehn Pfund. Weil Doris’ Kreditrahmen nicht für einen Ratenkauf reichte, schickte sie einen anderen vor, der dann jedoch die Raten nicht zahlte - ein Riesenschlamassel. Für meine Eltern waren fünfzehn Pfund eine ziemliche Stange Geld,
aber ich glaube, Gus hatte auch seine Finger im Spiel. Jedenfalls hatte das Ding Darmsaiten. Ich habe angefangen, wie jeder gute Gitarrist anfangen sollte: auf einer Akustischen mit Darmsaiten. Für Stahlsaiten war später noch Zeit genug, und eine Elektrische konnte ich mir sowieso nicht leisten. Wie sich herausstellte, war diese zuverlässige alte Spanierin eine wirklich gute Grundlage. Irgendwann steigst du in die Stahlsaiten-Liga auf, und dann wird es endlich elektrisch. Wow! Okay, wäre ich ein paar Jahre später geboren, hätte ich mich wohl gleich auf die E-Gitarre gestürzt. Aber wenn du ganz nach oben willst, musst du ganz unten anfangen. Eine allgemeingültige Regel, ob man nun Gitarre spielt oder ein Bordell betreibt.
In jeder freien Minute spielte ich, Augenzeugen zufolge völlig in der Musik versunken. Ob bei einer Party oder einer Familienfeier, ich saß einfach in der Ecke und spielte. Eine Geschichte, die meine Tante Marje gerne erzählte, zeigt ganz gut, wie sehr ich mein neues Instrument liebte: Als ich mal eine Weile bei Gus wohnte, weil Doris ins Krankenhaus musste, gab ich die Gitarre nie aus der Hand. Ich hatte sie immer bei mir und schlief sogar mit ihr im Arm ein.
Mein Skizzen- und Notizbuch von damals hat bis heute überlebt. Die Einträge stammen meist aus dem Jahr 1959, meinem entscheidenden sechzehnten Lebensjahr. Das Zeugnis einer zwanghaft akkuraten Buchführung mit blauem Kugelschreiber. Die Seiten sind in Spalten eingeteilt und passend betitelt, und Seite 2 (nach einer enorm wichtigen Abhandlung über das Pfadfindertum, davon gleich mehr) trägt die Überschrift »Schallplattenliste. 45 rpm«. Der erste Eintrag lautet: »Titel: Peggy Sue Got Married, Künstler: Buddy Holly.« Darunter finden sich, weniger ordentlich hingekrakelt und eingekreist, einige Mädchennamen: Mary (durchgestrichen), Jenny (abgehakt), Janet, Marilyn, Veronica und
so weiter. Unter »Langspielplatten« steht The Buddy Holly Story, A Date with Elvis, Wilde about Marty (gemeint ist natürlich Marty Wilde), The »Chirping« Crickets . Auf den Listen tummeln sich die üblichen Verdächtigen - Ricky Nelson, Eddie Cochran, Everly Brothers, Cliff Richard (»Travellin’ Light«) - aber auch Johnny Restivo (»The Shape I’m In«), immerhin die Nummer drei einer Liste, sowie »The Fickle Chicken« von den Atmospheres und »Always« von Sammy Turner. Lauter vergessene Juwelen. Diese Tabellen repräsentieren das große Erwachen, die Geburt des Rock’n’Roll auf britischem Boden. Und über allem thronte Elvis, dem ein eigener Abschnitt des Notizbuchs gewidmet war. Mein erstes selbst gekauftes Album: »Mystery Train«, »Money Honey«, »Blue Suede Shoes«, »I’m Left, You’re Right, She’s Gone«. Die Crème de la Crème der Sun-Jahre. Nach und nach legte ich mir ein paar weitere Alben zu, aber das war und blieb mein Liebling.
Ja, ich war schwer beeindruckt von Elvis - aber sein Gitarrist Scotty Moore und die Band beeindruckten mich noch mehr. Bei Ricky Nelson war es dasselbe. Ich habe mir keine Ricky-Nelson-Platten gekauft, sondern James-Burton-Platten. Die Begleitbands imponierten mir genauso wie die Frontmänner. Zum Beispiel Little Richards Band, die praktisch mit Fats Dominos Band identisch und letztendlich Dave Bartholomews Band war. Über so was wusste ich Bescheid. Das Zusammenspiel der Musiker faszinierte mich, das scheinbar mühelose Hin und Her zwischen diesen Typen, ihre unverfälschte Ausgelassenheit. Das Ganze strahlte einen wundervollen Leichtsinn aus. Was natürlich ganz besonders für Chuck Berrys Band galt. Schon von Anfang an kam es mir nicht nur auf den Sänger an. Die Begleitband musste mich genauso überzeugen.
Doch die Gitarre war nicht meine einzige Leidenschaft. Klingt unglaublich, aber mit das
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