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Life - Richards, K: Life - Life

Titel: Life - Richards, K: Life - Life Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Richards
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für Doris mit den Ausschlag. Sie hatte ihn schon 1947 kennengelernt, als Nachbar von der anderen Straßenseite der Chastilian Road. Damals arbeitete er bei Co-op, später heuerte er bei einem Taxiunternehmen an. Er erschien erst wieder auf der Bildfläche, als Doris eines Tages aus der Dartford Station trat und den Typen von gegenüber wiedererkannte. In ihren eigenen Worten: »Ich hab ihn nur als Nachbar gekannt, aber dann stand er eines Tages neben seinem Taxi, als ich aus dem Bahnhof kam. Ich sagte Hallo, und er rannte mir hinterher und meinte: ›Ich fahr Sie nach Hause.‹ Darauf ich: ›Meinetwegen gerne‹, denn sonst hätte ich auf den Bus warten müssen. Also hat er mich
heimgefahren, und die Sache nahm ihren Lauf. Was für eine unglaubliche Dreistigkeit. Ich kann es noch immer nicht glauben.«
    Bill und Doris waren zu einem kleinen Versteckspiel genötigt. Ich kann nicht sagen, ob Bert Bescheid wusste. Wenn ja, tut er mir leid. Eine seiner großen Leidenschaften, das Tennis, verschaffte dem Liebespaar eine günstige Gelegenheit. Solange er Tennis spielte, konnten sich Doris und Bill gefahrlos treffen. Bill zufolge lauerten sie Bert danach immer irgendwo auf, bis sie sahen, wie er den Tennisclub verließ und heimwärts radelte. Dann stiegen sie in Bills Taxi und rasten zu uns nach Hause, damit Doris rechtzeitig wieder da war. Und Doris erzählte weiter: »Als die Sache mit Keith und den Stones losging, hat Bill ihn kreuz und quer durch die Gegend gefahren. Ohne Bill hätte er festgesessen. Keith meinte ständig: ›Mick sagt, ich soll da und da hinkommen.‹ Und ich: ›Und wie stellst du dir das vor?‹ Da sagte Bill jedes Mal: ›Ich fahr ihn schon.‹« Das war also Bills bislang schmählich verschwiegener Beitrag zur Geburt der Rolling Stones.
     
    Ich hatte eine Heidenangst vor dem Tag, an dem ich endgültig von der Schule fliegen würde, denn mein Dad war nun mal mein Dad. Deshalb musste ich die Sache langsam angehen. Ich konnte es nicht kurz und schmerzlos zu Ende bringen. Ganz behutsam sammelte ich eine miese Note nach der anderen ein, bis sie einsahen, dass es keinen Zweck mehr hatte. Nicht, dass ich physische Gewalt gefürchtet hätte. Nein, ich fürchtete die Verachtung meines Vaters - der konnte einen erbarmungslos in die emotionale Wüste schicken. Dann warst du auf einmal ganz, ganz allein. Er sprach nicht mehr mit dir, er bemerkte nicht mal mehr, dass du im Zimmer warst. Das war seine bevorzugte Strafe und nicht zu steigern; ich wäre überhaupt nicht darauf gekommen, dass er mir hinterher noch zusätzlich den Arsch versohlen könnte. Bei dem
Gedanken, meinen Dad zu verärgern, schießen mir noch heute die Tränen in die Augen. Es gab nichts Schlimmeres, als seine Erwartungen zu enttäuschen.
    Wer einmal so kaltgestellt worden war, wollte es kein zweites Mal erleben. Man fühlte sich wie das reinste Nichts, man wusste: Für meinen Dad bin ich gestorben. Er sagte Sachen wie: »Tja, dann gehen wir morgen wohl nicht auf die Heide.« Früher hatten wir dort am Wochenende öfter Fußball gespielt. Erst als ich erfuhr, wie Bert von seinem eigenen Vater behandelt worden war, kapierte ich, dass ich mich glücklich schätzen konnte. Bert wurde nie handgreiflich, niemals. Er drückte seine Gefühle generell eher ungern aus, und dafür bin ich ihm gewissermaßen dankbar. Manchmal baute ich eine derartige Scheiße, dass er wirklich gute Gründe gehabt hätte. Wäre er der Typ dazu gewesen, wäre ich durchgeprügelt worden wie die meisten meiner Altersgenossen. Aber bei uns daheim rutschte nur meiner Mum ab und zu die Hand aus - dann gab es einen Klaps hinten auf die Beine, und den hatte ich verdient. Ich musste mich nie vor Prügelstrafen fürchten, das spielte sich alles auf der psychischen Ebene ab. Selbst nach zwanzig Jahren, als ich nach jahrzehntelanger Funkstille das historische Wiedersehen mit meinem Vater vorbereitete, hatte mich die Angst davor noch nicht verlassen. Ich hatte ihm in diesen zwanzig Jahren ja auch ziemlich viel Anlass zur Verärgerung gegeben. Aber das ist eine andere Geschichte.
    In Sachen Schule brachte ich das Fass durch eine Aktion am letzten Schultag zum Überlaufen: Terry und ich beschlossen, die Schulversammlung zu schwänzen. Dafür setzten sie mich an die Luft. Wir hatten schon so viele Versammlungen mitgemacht, wir wollten viel lieber eine rauchen gehen, und das haben wir dann auch getan. Ich denke, damit hatte ich mein endgültiges Todesurteil unterschrieben. Mein Dad

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