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Life - Richards, K: Life - Life

Titel: Life - Richards, K: Life - Life Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Richards
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Erfindung aller Zeiten. So hat es Jimmy Reed geschafft, dreißig Jahre lang ungestraft immer den gleichen Song zu spielen. Gelernt habe ich das von einem weißen Jungen namens Bobby Goldsboro, der in den Sechzigern ein paar Hits hatte. Er hatte mit Jimmy Reed gespielt und zeigte mir die Tricks. Alles andere war mir klar, aber was er beim H7-Akkord machte, das hatte ich nie kapiert, bis eben Mitte der Sechziger, als Bobby es mir in einem Bus irgendwo in Ohio zeigte. »Ich war viele Jahre mit Jimmy Reed on the road . Das geht so.« - »Scheiße! Das ist alles?« - »Genau, man lernt eben nie aus.« Plötzlich, aus heiterem Himmel, hat man’s drauf. Diesen unheimlichen, dröhnenden Ton. Die völlige Missachtung aller musikalischen Regeln. Obendrein die völlige Missachtung der Zuhörer und jedes anderen Menschen. »So geht das.« In gewisser Weise bewunderten wir Jimmy dafür mehr als für sein Gitarrenspiel. Es war die Haltung. Und es waren die eindringlichen Songs. Sie basieren vielleicht auf einem scheinbar simplen Fundament, aber nimm dir erst mal »Little Rain« vor, dann weißt du, was ich meine.
    Eine meiner ersten Lektionen über das Gitarrenspiel bestand darin, dass all diese Typen keine reinen Akkorde spielten. Hier was weg, da was dazu. Dur in Reinkultur gibt’s nicht. Es ist eine Verschmelzung, etwas Vermanschtes, Verheddertes, Verzwirbeltes. Es gibt kein »sauberes« Spiel. Es gibt nur das, was man fühlt. Streck
die Fühler aus, taste dich ran, die Welt ist dreckig. Wenn ich auf einem Instrument etwas spiele, habe ich oft das Gefühl, dass das, was ich spielen will, eigentlich von einem anderen Instrument gespielt werden müsste. Dauernd erwische ich mich dabei, dass ich auf der Gitarre Bläsersätze zu spielen versuche. Während ich diese Songs lernte, ging mir auf, dass oft nur ein einziger Ton dafür verantwortlich ist, damit die gesamte Sache gut klingt. Normalerweise ist das ein Sus-Akkord, also kein reiner Akkord, sondern eine Vermischung aus Akkorden, die ich bis zum heutigen Tag gern benutze. Wenn man einen reinen Akkord spielt, sollte der nächste Akkord etwas anderes beinhalten. Bei einem A-Akkord einen Hauch G, der das Ganze zu einem 7er-Akkord macht, der dich weiterbringt. Leser, die Keefs Guitar Workshop überspringen wollen, können das natürlich tun, aber ich verrate hier nur die einfachen Geheimnisse, die schließlich zu den offenen Akkordriffs späterer Jahre führten - denen von »Jack Flash« oder »Gimme Shelter«.
    Manche Leute wollen Gitarre spielen lernen. Andere suchen einen Sound. Ich suchte einen Sound, als ich mit Brian in Edith Grove übte. Etwas, das drei oder vier Leute leicht spielen konnten, ohne dass man sich andere Instrumente oder einen anderen Sound wünschte. Den Sound hatten wir, der ragte wie eine Wand vor uns auf. Ich hielt mich einfach an die Bosse. Viele Bluesgitarristen aus den Mittfünfzigern, Albert King oder B.B. King, waren Single-Note-Spieler. T-Bone Walker war einer der Ersten, der statt einer Saite zwei Saiten gleichzeitig spielte - Double String Stuff . Chuck hat viel von T-Bone übernommen. Musikalisch ein Unding, aber es funktioniert. Die Töne prallen klirrend aufeinander. Wenn man zwei Saiten auf einmal anschlägt, dann lassen die Töne ihre Hosen runter. Du hast dann immer was, das sich mit dem Ton oder der Harmonie reibt. Chuck Berry ist Double String durch und durch. Er spielt nur ganz selten einzelne Noten.

    Dabei war der Grund, warum diese Burschen damit anfingen, ein rein wirtschaftlicher: Sie sparten sich den Bläsersatz. Mit einer verstärkten Gitarre konnte man zwei Akkordnoten spielen und sich damit das Geld für zwei Saxofone oder eine Trompete sparen. Mein Double String -Spiel in den frühen Sidcup-Tagen war der Grund, dass man mich eher für einen wilden Rock’n’Roller hielt als für einen ernsthaften Bluesgitarristen. Alle anderen schlugen nur eine Saite an. Ich spielte viel für mich allein, deshalb funktionierte es für mich mit zwei Saiten besser als mit einer. Außerdem konnte ich so diese Dissonanzen einflechten und hatte den nötigen Druck beim Rhythmus, den man mit nur einer Saite nicht hinbekommt. Der Punkt ist, dass man rauskriegen muss, was die Finger tun sollen. Nach Akkorden muss man suchen. Man sucht immer nach dem einen verschollenen Akkord. Nur gefunden hat ihn noch keiner.
    Brian und ich hatten das Jimmy-Reed-Zeug drauf. Aber wenn wir uns wirklich reinknieten und wie verrückt ackerten, fühlte sich Mick ein

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