Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Life - Richards, K: Life - Life

Titel: Life - Richards, K: Life - Life Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Richards
Vom Netzwerk:
Vox-Verstärker und mit ihm Bill Wyman aufkreuzte, und als wir versuchten, uns Charlie Watts unter den Nagel zu reißen, um mich mal so auszudrücken. Ich führte sogar Buch darüber, was wir bei Gigs verdienten, auf Pfund, Shilling und Pence genau. Wenn wir auf winzigen Schulabschlussfeiern spielten, stand da oft eine Null. Aber die Einträge verzeichnen auch den 21. Januar, Ealing Club: 0; den 22. Januar, Flamingo: 0; den 1. Februar, Red Lion: £1 und 10s. Wenigstens bekamen wir Gigs. Und solange man Gigs bekam, war das Leben herrlich. Jemand rief uns an und buchte uns! WOW! Irgendwas mussten wir also richtig machen. Dazwischen standen Ladendiebstahl, Pfandflaschensammeln und Hunger auf der Tagesordnung. Wir warfen unser Geld in einen Topf, für Gitarrensaiten, für die Reparatur von
Verstärkern, für Röhren. Allein unser Equipment funktionstüchtig zu halten verursachte unglaubliche Kosten.
    Innen im Einband des Taschenkalenders waren mit dicker Tinte die Worte »Chuck«, »Reed« und »Diddley« vermerkt. Das war’s - die einzige Musik, die wir in jener Zeit hörten. Nur amerikanischen Blues oder Rhythm and Blues oder Country Blues. Jeden Tag, in jeder wachen Stunde, saßen wir vor den Lautsprechern, um herauszufinden, wie dieser Blues gespielt wurde. Mit der Gitarre in der Hand auf dem Boden. Sonst nichts. Man hört nie auf, ein Instrument zu lernen, aber damals war es in erster Linie mehr ein Suchen und Forschen. Wenn man Gitarre spielen wollte, musste man einen bestimmten Sound produzieren. Wir wollten den Sound des Chicago Blues, so echt wie nur möglich - zwei Gitarren, Bass, Schlagzeug, Klavier. Wir hockten auf dem Boden und hörten uns jede Chess-Platte an, die je gemacht wurde. Der Chicago Blues traf uns genau zwischen die Augen. Wir waren alle aufgewachsen mit dem Zeug, mit dem auch alle anderen aufgewachsen waren, mit Rock’n’Roll, aber wir konzentrierten uns nun auf den Chicago Blues. Solange wir unter uns blieben, konnten wir so tun, als wären wir Schwarze. Wir saugten die Musik richtiggehend auf, aber das änderte nichts an der Farbe unserer Haut. Manche von uns waren sogar weißer als weiß. Brian Jones war ein blonder Elmore James aus Cheltenham. Warum auch nicht? Spielt keine Rolle, woher man kommt und welche Hautfarbe man hat. Das fanden wir aber erst später raus. Zugegeben, Cheltenham ist ein bisschen weit hergeholt. Bluesmusiker aus Cheltenham traf man eher selten. Aber wir wollten kein Geld machen. Wir verachteten Geld, wir verachteten Sauberkeit, wir wollten nur eins sein, black motherfuckers . Glücklicherweise sind wir da rausgekommen. Trotzdem: Das war unsere Schule, das war der Geburtsort der Band.

     
    In jene Zeit fielen die Anfänge der magischen Kunst des »guitar weaving«, des Wechselspiels und Ineinandergreifens zweier oder mehrerer Gitarren. Plötzlich erkennst du, was man alles machen kann, wenn man zusammen mit jemand anderem Gitarre spielt, dass man zu zweit die Kraft von zehn entfesseln kann, und dann nimmst du dir noch ein paar Leute dazu. Es hat etwas Erhebendes, wenn ein paar Leute zusammen Musik machen. Diese großartige kleine Welt ist uneinnehmbar. Das ist echtes Teamwork, wenn einer die anderen unterstützt, wenn alle das eine Ziel haben und eine Zeit lang kein Wölkchen den Himmel trübt. Niemand dirigiert, du hast es selbst in der Hand. Eigentlich ist es Jazz - das ist das große Geheimnis. Rock’n’Roll ist nichts anderes als Jazz mit einem harten Backbeat.
    Jimmy Reed war ein ganz großes Vorbild für uns. Bei ihm ging es immer um Zwei-Gitarren-Musik. In vielerlei Hinsicht eine Übung in Monotonie, außer man tauchte wirklich darin ein. Jimmy Reed hatte etwa zwanzig Nummer-eins-Hits mit im Grunde immer dem gleichen Song. Er hatte nur zwei Tempi. Aber er verstand die Magie der Wiederholung, der Monotonie, und verwandelte sie in etwas Hypnotisches, Tranceartiges. Brian und ich waren fasziniert davon. In jeder freien Sekunde versuchten wir Jimmy Reeds Gitarrensounds auf die Schliche zu kommen.
    Jimmy Reed war immer sturzbesoffen. Es gibt da diese berühmte Geschichte, als er schon anderthalb, zwei Stunden zu spät dran ist für seine Show und sie ihn schließlich auf die Bühne wuchten und er lallt: »Das erste Stück heißt ›Baby What You Want Me to Do?‹«, und dann kommt es ihm hoch und er kotzt die beiden ersten Reihen voll. Das ist ihm wahrscheinlich oft passiert. Er hatte immer seine Frau dabei, die ihm die Songtexte einflüsterte. Manchmal kann man

Weitere Kostenlose Bücher