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Life - Richards, K: Life - Life

Titel: Life - Richards, K: Life - Life Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Richards
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lassen. Und zwar oft. Dann kannst du zurückkommen und den Blues singen. In jener Zeit gingen wir die Sache auf einer rein musikalischen Ebene an und vergaßen darüber, dass die Bluesmen über das Leben sangen. Erst musste man sich ins
Leben stürzen, dann konnte man heimkehren und darüber singen. Ich glaubte, dass ich meine Mutter liebte, aber ich verließ sie. Sie machte mir immer noch die Wäsche. Und ich ließ mir das Herz brechen, aber nicht sofort. Ich hatte immer noch ein Auge auf Lee Mohamed geworfen.
    Die im Tagebuch verzeichneten Lokale waren der Flamingo Club in der Wardour Street, wo Alexis Korners Blues Incorporated spielte; der schon erwähnte Ealing Club; der Crawdaddy Club im Station Hotel in Richmond, wo wir wirklich abräumten; das Marquee, damals noch in der Oxford Street, wo Cyril Davis mit seinen R&B All Stars auftrat, nachdem er bei Korner ausgestiegen war; das Red Lion in Sutton, Südlondon; und das Manor House, ein Pub im Norden der Stadt. Die notierten Geldbeträge waren die armselige Bezahlung dafür, dass wir uns die Seele aus dem Leib spielten. Aber es wurde langsam besser.
     
    Ich glaube nicht, dass die Stones derartig miteinander verwachsen wären, wenn Ian Stewart uns nicht zusammengehalten hätte. Er mietete die ersten Proberäume an, er sagte jedem, wann er da zu sein hatte. Wir anderen stocherten im Nebel, wir hatten keinen Schimmer von irgendwas. Die Band war seine Vision, im Grunde war er es, der bestimmte, wer dabei war. Bis heute hat keiner richtig begriffen, dass er der Antreiber, das Kraftzentrum und der Organisator war, der die Band in den Anfängen verband. Wir hatten nicht viel Geld, aber wir hatten diese idealistische Hoffnung. »Wir können den Blues nach England bringen.« - »Wir sind die Auswerwählten!« All diese dämlichen Sprüche. Stus Enthusiasmus war unglaublich. Er wagte den Schritt und trennte sich von den Leuten, mit denen er bis dahin gespielt hatte. Er wagte den Sprung ins Ungewisse. Er schwamm gegen den Strom und entfremdete sich von seiner gemütlichen kleinen Clubszene. Ohne Stu wären
wir verloren gewesen. Er tummelte sich schon sehr lange in der Clubszene, wir hingegen waren Frischlinge.
    Einer seiner ersten strategischen Züge war, einen Guerillakrieg gegen die Trad-Jazzer anzuzetteln. Die Folge: eine große kulturelle Veränderung, die für Verbitterung sorgte. Die traditionellen Jazzbands alias Dixieland-Bands, halbe Beatniks, waren gut im Geschäft, sogar sehr gut. »Midnight in Moscow«, Acker Bilk, die ganze gottverdammte Bagage. Die überschwemmten den Markt. Sehr gute Musiker, Chris Barber und Co. Sie beherrschten die Szene. Aber sie verstanden nicht, dass die Zeiten sich änderten, dass sie in ihre Musik etwas Neues hätten einbauen müssen.
    Wie konnten wir also die Dixieland-Mafia verdrängen? Ihr Panzer schien keinen Riss aufzuweisen. Stu hatte die Idee, im Marquee oder Manor House in der Pause aufzutreten, während Acker Bilk sein Bier trank. Geld war damit keines zu verdienen, aber das war das spitze Ende des Keils, den wir zwischen sie trieben. Stu tüftelte die gesamte Strategie aus. Plötzlich wurde die Pause interessanter als die Hauptattraktion. Die Pausenband enterte die Bühne und spielte Zeug von Jimmy Reed. Fünfzehn Minuten. Und es dauerte tatsächlich nur wenige Monate, und das Monopol der Trad-Jazzer begann zu bröckeln. Uns schlug blanker Hass entgegen. »Mir gefällt eure Musik nicht. Warum spielt ihr nicht in Tanzsälen?« - »Warum? Geht ihr doch, wir bleiben.« Wir hatten keine Ahnung, dass in jenen Tagen ein Erdrutsch bevorstand. So arrogant waren wir nicht. Wir waren einfach froh, einen Gig zu bekommen.
    Jazz on a Summer’s Day - der Film war eine Parabel auf die sich verschiebenden Machtverhältnisse zwischen Jazz und Rock’n’Roll. Ein damals für aufstrebende Rockmusiker immens wichtiger Dokumentarfilm über das Newport Jazz Festival 1958, hauptsächlich deshalb, weil Chuck Berry darin »Sweet Little Sixteen« spielte.
Jimmy Giuffre, Louis Armstrong und Thelonious Monk traten auf, aber Mick und ich haben uns den Film angeschaut, weil wir The Man sehen wollten. Diese schwarze Jacke. Irgendein sehr wagemutiger Mensch hatte beschlossen, ihm als Schlagzeuger die Jazzgröße Jo Jones zur Seite zu stellen. Jo Jones war auch Count Basies Schlagzeuger. Ich glaube, es war Chucks stolzester Augenblick, als er auf diese Bühne stieg. Seine Version von »Sweet Little Sixteen« war nicht besonders gelungen, aber

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