Life - Richards, K: Life - Life
großartig! Schon damals war ich baff, wenn ich ihm zusah. Unglaublich, was er mit dem bisschen Platz anstellen konnte. Wie ein Flamencotänzer.
Bei unserem Gig in Richmond machte es Klick. Dort kapierten wir, dass wir eine richtig gute Band waren. Dass wir die Leute für ein paar Stunden aus ihrem Alltag herausholen und eine echte Wechselwirkung zwischen Bühne und Publikum herstellen konnten. Egal, was Mick Jagger sagt, das ist nicht alles nur Show.
Rückblickend betrachtet war mir das Station Hotel in Richmond am liebsten. Dort hat alles angefangen. Auch der Ricky Tick Club
in Windsor war ein verdammt guter Ort für einen Gig. Das Eel Pie war ebenfalls klasse, weil dort praktisch dieselben Leute abhingen. Sie folgten uns einfach überallhin. Ein anderer Name, an den ich mich von damals erinnere, ist Giorgio Gomelsky. Giorgio hat die Organisation übernommen und Auftritte im Marquee und im Station Hotel an Land gezogen. Ohne ihn hätte die ganze Sache nicht funktioniert. Er war aus Russland eingewandert, ein Mann wie ein Bär, voll übersprudelnder Energie und Begeisterung. Brian redete ihm ein, dass er quasi unser Manager war, obwohl wir unserer Meinung nach gar keinen Manager brauchten. Giorgio tat alles für uns. Er brachte uns unter, er organisierte Gigs. Dabei konnten wir bloß Versprechungen machen. Wir meinten immer nur: »Wir brauchen Gigs, Gigs, Gigs. Erzähl’s rum.« Darin war Giorgio sehr gut, gerade am Anfang. Als Brian dann größere Erfolge witterte, sägte er ihn ab. Wahnsinn, wie Brian die Fäden gezogen hat, wie er über all das die Kontrolle haben wollte. Wir hatten immer das Gefühl, Brian hätte den Leuten alles Mögliche versprochen - auch in unserem Namen. Und wenn es dann nicht klappte, standen wir alle da wie die letzten Arschlöcher. Die Ehrenwörter saßen bei Brian etwas locker. Später managte Giorgio die Yardbirds mit Eric Clapton, die in den Clubs bereits in unsere Fußstapfen traten. Dann stieg Eric bei den Yardbirds aus und zog sich für sechs Monate zurück, und als er zurückkehrte, war er Gott. Bis heute versucht er, sich davon zu erholen.
Mick hat sich extrem verändert. Erst jetzt, in der Rückschau, erinnere ich mich mit Wehmut, wie eng wir in den ersten Jahren der Stones befreundet waren. Die Band war eine Einheit. Wir mussten uns nicht über die Richtung streiten, wir wussten, wohin wir wollten, welchen Sound wir anstrebten. Da gab es keine Diskussionen, wir mussten nur einen Weg finden, unsere Vorstellungen umzusetzen. Und wir hatten ein glasklares Ziel: Platten aufnehmen. Das
war’s, mehr oder weniger. Danach ging es bergauf, und die Ziele wurden ehrgeiziger. Am Anfang wollten wir nur die beste Rhythm-and-Blues-Band Londons sein. Wir wollten jede Woche auftreten, und vor allem wollten wir Platten aufnehmen - das Portal durchschreiten und ins Allerheiligste vordringen: ins Studio. Wie soll man besser werden ohne Studio, ohne Mikro und Aufnahmegerät? Uns war klar, dass da was im Entstehen war, aber wir mussten den nächsten Schritt tun. Also auf Biegen und Brechen Platten aufnehmen. John Lee Hooker, Muddy Waters, Howlin’ Wolf, die hatten alle ihr Ding durchgezogen, ohne Kompromisse. Und sie hatten alle dasselbe gewollt wie ich: Platten aufnehmen. Das hatten wir gemeinsam. Ich hätte alles getan, um ins Studio zu kommen. Eigentlich eine ziemlich narzisstische Sache - wir wollten unbedingt wissen, wie wir klangen. Darauf kam es uns an, nicht aufs Geld. An Bezahlung war sowieso nicht zu denken, aber egal. Ins Studio zu gehen und mit einer Anpressung wieder rauszukommen, das war damals wie eine offizielle Beglaubigung. »Hier, Ihre Dienstmarke, herzlichen Glückwunsch.« Auf einmal gehörte man nicht mehr zum Fußvolk. Die Gigs standen zwar an allererster Stelle, aber eine Platte war das amtliche Siegel. Unterschrieben, eingetütet und abgestempelt.
Nur einer kannte jemanden, der uns tatsächlich die Tür zu einem Studio öffnen und uns eine nächtliche Stunde hinterm Mikro verschaffen konnte: Stu. Zu der Zeit war das so schwer wie in den Buckingham Palace zu kommen oder sich in die Admiralität einzuschleusen. Ein Ding der Unmöglichkeit. Unfassbar, dass heute jeder irgendwas aufnehmen und ins Internet stellen kann. Damals war es wie ein Sprung über den Mond. Ein Traum. Das erste Studio, das ich betreten durfte, war das IBC am Portland Place. Direkt gegenüber von der BBC - aber natürlich hatten die beiden nichts miteinander zu tun. Glyn Johns, gerade
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