Life - Richards, K: Life - Life
seine Basstrommel bearbeitete, war das der Stoff, von dem ich immer rede. Das war Rock’n’Roll! Als Jungspund mit diesen Typen zu spielen, die nur zwei oder drei Jahre älter, aber schon so lange im Geschäft waren, das war was. »Okay, so geht das also!« Als ich das erste Mal mit ihnen spielte und plötzlich diese Rhythmusgruppe im Kreuz hatte, da dachte ich: WOW! Das war das erste Mal, dass ich einen Meter über dem Boden schwebte und in die Stratosphäre abhob. Das war noch bevor ich mit Charlie und Bill zusammenarbeitete.
Ich habe mich immer sehr wohl auf der Bühne gefühlt, von Anfang an, selbst wenn ich Blödsinn spielte. Man ist ziemlich nervös, ehe man vor so vielen Menschen auf die Bühne steigt, aber bei mir war da immer das Gefühl: »Also los, reiß den Käfig auf und lass den Tiger raus.« Vielleicht ist das auch nur eine andere Version von Schmetterlingen im Bauch. Möglich. Da oben bin ich wie ein Hund, der überall hinpisst und sein Revier absteckt. Wenn ich da stehe, kann nichts passieren. Ich kann es höchstens vermasseln. Und wenn schon, dann amüsiere ich mich trotzdem.
Am nächsten Tag wird zum ersten Mal erwähnt, dass Charlie bei uns spielt:
Dienstag, 15.
Bandgage für mindestens zwei Wochen geht komplett drauf für einen Verstärker & Mikros.
Ealing - Charlie.
Lag vielleicht an meiner Erkältung, aber der Sound der Band stimmte irgendwie nicht. Andererseits: Der Schüttelfrost hat uns alle umgehauen, Mick & Brian & mich!!!
Charlie swingt, hat aber den richtigen Sound noch nicht raus. Wird morgen korrigiert!
Kaum Leute da. Kein Geld, machen früher Schluss. Nehmen einen Tag frei. Rick & Carlo spielen am Sa. & Mo.
Charlie stieg also ein. Wir wollten es irgendwie schaffen, Bill seinen Verstärker abzuluchsen, ohne uns selbst zu schaden. Aber zur gleichen Zeit fingen Bill und Charlie an zusammenzuspielen, und man spürte, dass hier etwas in Gang kam. Bill ist ohne jeden Zweifel ein unglaublicher Bassist. Ich fand das mit der Zeit heraus. Beide übten. Keiner der beiden hatte eine feste Vorstellung davon, wohin sie wollten. Und dann noch ihre komplett unterschiedlichen Vorgeschichten. Charlie kam vom Jazz. Bill kam von der Royal Air Force. Zumindest war er schon mal im Ausland gewesen.
Charlie Watts ist immer das Bett gewesen, auf dem ich mich musikalisch ausgebreitet habe, so dass die Bemerkung, dass sein Sound »korrigiert« werden müsse, ungewöhnlich klingen mag. Aber wie Stu war auch Charlie zum Rhythm and Blues über dessen Verbindung zum Jazz gekommen. Ein paar Tage später schreibe ich: Charlie swingt ganz nett, aber er kann nicht rocken. Trotzdem, fabelhafter Bursche … Zu dieser Zeit hatte er den Rock’n’Roll noch nicht intus. Ich wünschte mir sein Schlagzeugspiel ein bisschen härter. Er war mir immer noch zu jazzig. Uns war klar, dass
er ein großartiger Schlagzeuger war, aber sein Spiel passte nicht zu den Stones. Charlie studierte also Jimmy Reed und dessen Schlagzeuger Earl Phillips. Wegen des richtigen Gefühls, dem Sparsamen, dem Minimalistischen. Das hat er sich immer bewahrt. Charlie war der Schlagzeuger, den wir wollten. Aber, Punkt eins, konnten wir ihn uns leisten? Und, Punkt zwei, würde er für uns seinen jazzigen Stil etwas zurückfahren?
Dienstag, 22.
£0
Ealing - Charlie
Bockmist Nr. 2. Bis 8:50 tauchen nur zwei Leute auf. Gehen nach Hause. Haben trotzdem ein paar Nummern gespielt. Eine mit Maracas, Tamburin und heulender Gitarre; Charlie spielt dazu einen mächtigen Dschungelbeat (was beweist, dass er’s kann.) Auf dem Heimweg von den Bullen aufgehalten. Gefilzt. Wichser, haben immer was zu stänkern. Keine Arbeit bis Sa.
Der mächtige Dschungelbeat war der Bo-Diddley-Lick - »Shave and a haircut, two bits« nannte man das, und genauso hörte es sich auch an. »Bo Diddley, Bo Diddley, have you heard? / My pretty baby said she was a bird.«
Als ich las, dass man uns gefilzt hatte, war mein erster Gedanke: »Damals schon?« Ich meine, wir hatten nichts. Nicht mal Geld. Kein Wunder, dass ich später, als sie mich wegen des echten Stoffs hochnahmen, schon Bescheid wusste. Gefilzt ohne jeden Grund. Meine Reaktion ist immer noch die gleiche. Stänkernde Wichser, verdammte. Dauernd haben die was zu beanstanden. »Jetzt komm schon, an die Wand da.« Aber damals war ich sauber. Ich bin bestimmt
hundertmal gefilzt worden, bevor ich das erste Mal dachte: »Oh, mein Gott, ich hab was dabei.«
Donnerstag, 24.
Kein Marquee.
Carlo & Rick sagen, Cyril hat
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