Life - Richards, K: Life - Life
zufällig
Techniker im IBC, hatte die Sache eingefädelt. Doch das war eine einmalige Angelegenheit.
Dann kam Andrew Loog Oldham nach Richmond, um uns zu sehen, und die Geschichte nahm so richtig Fahrt auf. Kaum zwei Wochen später hatten wir den Plattenvertrag. Früher hatte Andrew mit Brian Epstein zusammengearbeitet und entscheidend am Image der Beatles mitgebastelt. Epstein hatte ihn wegen irgendeines dämlichen Streits gefeuert. Also fasste sich Andrew ein Herz und beschloss, sein eigenes Ding aufzuziehen, nach dem Motto »Dir zeig ich’s«. Und wen hatte er sich für die Rache an Epstein ausgesucht? Uns. Wir waren das Dynamit, Andy Oldham der Sprengmeister. Ironischerweise meinte gerade Oldham, der Architekt des Öffentlichkeitsbilds der Stones, dass wir lieber nicht als dreckige, langhaarige Rüpel rüberkommen sollten. Er war selbst ein ziemlich geschniegelter Bursche und hing an der Idee der uniformierten Band, wie bei den Beatles. Wir sahen das anders, aber er steckte uns trotzdem in Uniformen. Bei unserem Auftritt bei Thank Your Lucky Stars mussten wir diese grässlichen Karojacketts mit Hahnentritt -Muster tragen. Wir warfen sie sofort weg. Nur die Lederwesten, die er in der Charing Cross Road besorgt hatte, behielten wir. »Wo ist dein Jackett?« - »Keine Ahnung. Trägt jetzt meine Freundin.« Bald hatte er geschnallt, dass er nicht dagegen ankommen würde. Was sollte er schon tun? Ich meine, die Beatles waren überall, wie ein Sack Flöhe. Wenn man eine neue gute Band hatte, durfte man genau eines nicht tun: die Beatles wiederkäuen. Wir mussten die Anti-Beatles sein. Nicht die Fab Four in ihren identischen Klamotten, sondern das Gegenteil. Sobald er das kapiert hatte, zog Andrew die Masche voll durch. Die anderen in ihren Uniformen, die waren alle viel zu süß, das war doch alles nur Show. Kein anderer als Andrew Oldham hat die Gesetze des öffentlichen Auftretens revolutioniert -
mach alles falsch, zumindest in den Augen von Showbiz und Fleet Street.
Natürlich hatten wir keine Ahnung von nichts. »Scheiße, das ist unter unserem Niveau! Wir spielen den Blues, Mann, mit unseren stolzen achtzehn Jahren. Wir haben Mississippi und Chicago hinter uns!« Was man sich nicht alles einredet. Aber wir widersetzten uns wirklich allen Regeln, und das Timing war perfekt. Die Beatles wurden von allen geliebt, die Mütter liebten sie, die Väter liebten sie. Würde man dagegen sein Töchterchen an so welche wie uns verheiraten? Das war ein ziemlicher Geniestreich. Nicht, dass ich Andrew oder uns für Genies halten würde, aber damit lagen wir zu einhundert Prozent richtig. Sobald das geklärt war, sagten wir uns: Okay, jetzt können wir ins Showbiz einsteigen, ohne uns zu verbiegen. Ich muss mir nicht die Haare schneiden wie der oder der. Für mich war Andrew der perfekte PR-Mann, der Cleverste der Cleveren. Ich mochte ihn sehr, trotz seiner Neurosen und sexuellen Verwirrung. Er war auf eine Privatschule namens Wellingborough gegangen, und genau wie ich hatte er es nicht leicht gehabt in der Schule. Besonders am Anfang war er zwar immer etwas zittrig, wie auf Crystal, aber zugleich unglaublich selbstsicher. Er wusste genau, wo’s langging, und hatte doch auch etwas Zerbrechliches an sich. Was er allerdings sehr gekonnt überspielte. Seine Denkweise, seine ganze Herangehensweise gefielen mir. Und sein Plan leuchtete mir sofort ein, weil ich die Kunsthochschule und das Werbestudium hinter mir hatte.
Wir unterschrieben einen Deal mit Decca. Ein paar Tage später - und dafür wurden wir auch noch bezahlt! - waren wir im Studio. Den Olympic Studios. Trotzdem entstanden die meisten unserer frühen Aufnahmen im Regent Sound Studio. Ein kleiner Raum mit Eierkartons an den Wänden und einem Grundig-Tonbandgerät. Damit es mehr nach Studio aussah, hatte man das Aufnahmegerät
nicht auf den Tisch gestellt, sondern aufgehängt. Wie bei den Profis halt. Eigentlich wurden dort Werbejingles eingespielt: »Murray mints, Murray mints, the too-good-too-hurry mints.« Ein kleines Studio für Jingles, ausgestattet mit dem Allernötigsten - ich hätte mir keinen besseren Ort wünschen können, um die Grundlagen der Aufnahmetechnik zu erlernen. Das Regent Sound war mono, ein weiterer Pluspunkt für uns. Genau so, wie es sich anhörte, landete es auch auf dem Band. Es gab ein Zweispurgerät, sonst nichts. Irgendwann hatte ich die Sache mit dem Overdub raus, »Ping-Pong« nannte man das: Man überspielt alles, was man gerade
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