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Life - Richards, K: Life - Life

Titel: Life - Richards, K: Life - Life Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Richards
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Zugeständnisse machen mussten.
    Zuallererst mussten wir uns klar werden, wie wir die Sache anpacken wollten. Die Jacketts waren bald Geschichte. Für die erste Platte waren sie vielleicht nicht schlecht gewesen, aber auf der zweiten - keine Spur mehr davon. Im Crawdaddy wurde der Andrang so groß, dass Gomelsky den Auftritt vom Club auf das Sportgelände von Richmond verlegen musste. Und im Juli 1963 schafften wir es zum ersten Mal aus London raus - für einen Gig in Middlesbrough, Yorkshire, ein erster Vorgeschmack auf den Wahnsinn. Bis 1966, also drei Jahre lang, gaben wir beinahe ununterbrochen Konzerte. Jeden Tag oder jeden Abend, manchmal zwei
am Tag. Weit über zweitausend Gigs, einer nach dem anderen. Von Pausen konnte keine Rede sein, in der ganzen Zeitspanne hatten wir vielleicht zehn freie Tage.
    Im Juli 1963 traten wir beim Wisbech Corn Exchange in Cambridgeshire auf. Hätten wir noch unsere Karojacketts getragen und wie niedliche Püppchen ausgesehen, wäre es vielleicht anders gelaufen. Aber so brachten wir den männlichen Teil des Publikums ordentlich in Rage. Wir kamen aus der Stadt, unsere Musik war Großstadtmusik. Eine echte Erfahrung, Wisbech 1963 mit Mick Jagger, eine ganz neue Welt. Der Wisbech Corn Exchange, irgendwo im hinterletzten Sumpfgebiet. Lauter Landeier, die buchstäblich auf Strohhalmen herumkauten. Die männlichen Hinterwäldler konnten sich nicht damit abfinden, dass ihre Mädchen diese dreckigen Typen angafften. Dass ihre Mädchen beim Anblick dieser Schwuchtelbande aus London fast in Ohnmacht fielen. »Eee by gum«, sagten sie sich - und machten Krawall. Und zwar ordentlich. Wir hatten Glück, heil davonzukommen.
    Am Abend zuvor hatten wir den größten Kontrast zum üblichen Rock’n’Roll-Publikum erlebt, den man sich nur vorstellen kann: einen Debütantenball in den Hastings Caves. Eine gewisse Lady Lampson hatte ihn organisiert, und Andrew Oldham hatte uns eingeschleust. Eine superschicke Party in den weitläufigen Höhlen, exklusiv für die oberen Zehntausend, die sich mal wie der Pöbel vergnügen wollten. Wir gehörten zum Unterhaltungsprogramm. Wenn wir nicht dran waren, sollten wir uns in den Cateringbereich verziehen. Das pisste uns zwar an, aber wir blieben cool, bis Ian Stewart von einem Typen angelabert wurde: »Sag mal, du Klavierclown, kannst du ›Moon River‹ spielen?« Bill verpasste ihm eine oder schickte ihn anderweitig auf die Bretter. »Was ist das denn für ein schrecklicher Mensch?«, fragte daraufhin Lord Lampson oder wer auch immer. Nach dem Motto: Ihr dürft gern
auf unseren Partys spielen, aber wir behandeln euch wie Schwarze. Mir sollte das recht sein. Ich war sogar stolz darauf, richtig stolz. Ich liebe es, wie ein Schwarzer behandelt zu werden. Aber es war Stu, der die erste Bemerkung einstecken musste. »Sag mal, du Klavierclown …«
     
    Zu Beginn kamen vor allem Frauen zu unseren Konzerten. Bis Ende der Sechziger ging das so, dann glich es sich aus. Diese Heerscharen katzenartiger, männerfressender Mädchen tauchten in größerer Zahl etwa ab der Hälfte unserer ersten UK-Tour auf, im Herbst 1963. Ein Wahnsinns-Line-up: die Everly Brothers, Bo Diddley, Little Richard, Mickie Most. Für uns war es wie Disneyland, wie der tollste Vergnügungspark der Welt. Wir hatten die einmalige Gelegenheit, den Besten der Besten auf die Finger zu schauen. In den Gaumont- und Odeon-Kinos hingen wir immer von den Deckenbalken, um Little Richard, Bo Diddley und die Everlys auf der Bühne zu beobachten. Die Tour dauerte fünf Wochen, wir waren überall: Bradford, Cleethorpes, Albert Hall, Finsbury Park. Große Gigs, kleine Gigs. Was für ein Erlebnis - wow, ich in einer Garderobe mit Little Richard! Auf der einen Seite war man noch der Fan, »O mein Gott!« und so weiter, auf der anderen sagte man sich: »Okay, du stehst neben den Profis auf der Bühne, also solltest du auch einer sein.« Als wir zum ersten Mal rausgingen, im New Victoria Theatre in London, erstreckte sich der Saal bis zum Horizont. Dieses Gefühl von Weite, diese Menschenmassen - atemberaubend! Ein ganz neuer Maßstab. Wir fühlten uns winzig klein da oben. Wir warfen uns fassungslose Blicke zu. Dann gingen die Vorhänge auf, und aaaahhh! Auf einmal musst du diesen Riesensaal beackern. Man gewöhnt sich ziemlich schnell dran, man lernt dazu. Aber am ersten Abend kam ich mir vor wie ein Zwerg. Und natürlich klangen wir nicht wie in den
kleinen Clubs. Eher wie Zinnsoldaten. Es gab so vieles zu

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