Life - Richards, K: Life - Life
Schnuckelchen.« Ein regelrechter Kulturschock, aber Tom Jones und Co. bewunderten ihn so sehr, dass sie sich alles gefallen ließen. Währenddessen nickte mir Richard zu und zwinkerte. »Ich liebe meine Fans! Ich liebe meine Fans! Ooohhh, Baby!« Der Reverend Richard Penniman. Man sollte nie vergessen, woher er kommt: aus der Kirche, aus dem Gospelchor. Wie die meisten. Sie haben alle mit dem Hallelujah angefangen. Al Green, Little Richard, Solomon Burke, lauter geweihte Männer. Wer predigt, zahlt keine Steuern. Mit Gott hat das wenig zu tun, mit Geld sehr viel.
Jerome Green schüttelte die Maracas für Bo Diddley. Er war auf allen seinen Platten zu hören. Und er war ständig sturzbesoffen. Einer der liebsten Hurensöhne der Welt. Er fiel dir einfach andauernd um den Hals. Jerome und Bo waren fast schon Partner, die beiden hatten einiges hinter sich. Zwischen ihnen ging es ständig hin und her, ein ewiges musikalisches Call-and-Response-Spiel. Keine Frage, Jerome war ein wichtiger Teil von Bos Leben, sonst hätte er ihn nicht behalten. Und an den Maracas war er großartig. Er spielte immer vier pro Hand, insgesamt acht, sehr afrikanisch.
Egal, ob er betrunken war oder nicht, es klang umwerfend. »Ich kann nicht weitermachen«, sagte er manchmal, »ich bin nicht besoffen genug.«
Aus unerfindlichen Gründen wurde ich zu Jeromes Roadie. Wir mochten uns einfach sehr, man konnte eine Menge Spaß mit ihm haben. Jerome war ein großer Kerl, ein bisschen wie Chuck Berry. Ich stand hinter der Bühne, auf einmal gab es einen Schrei - hat irgendwer Jerome gesehen? Und ich antwortete: »Ich glaube, ich weiß, wo er ist« - im nächsten Pub. Damals war ich noch keine Berühmtheit, ich konnte mich noch unerkannt bewegen. Also flitzte ich rüber in den Pub, wo er tatsächlich hockte. Er plauderte mit den Stammgästen, sie gaben ihm Drinks aus. Wann bekamen sie schon mal einen über eins achtzig großen Schwarzen aus Chicago zu sehen? Aber ich war nun mal sein Aufpasser: »Jerome, du bist dran. Bo sucht dich.« - »Oh, verdammt. Bin gleich da.«
Gegen Ende der Tour wurde er ziemlich krank. Damals lernte ich, wie man mit Ärzten redet, wie man sich organisiert. Ich quartierte ihn in meinem Apartment ein. »Diesen englischen Fraß bringe ich nicht mehr runter, Mann! Gibt es hier denn gar kein ordentliches amerikanisches Essen? Ich will einen Hamburger.« Also rüber zu Wimpy’s, einen Hamburger holen. »Das soll ein Hamburger sein?« - »Tut mir leid, Jerome.« Warum tat ich mir das an? Weil man mit Jerome immer was zu lachen hatte, weil er so ein verdammt guter Kerl war. Er hatte kein Problem damit, dich ausgiebig anzupumpen. Aber man dachte sich immer: Wenn ich nicht auf ihn aufpasse, gerät er unter den nächsten Bus oder spült sich die Toilette runter oder so. Kurz darauf stieg er aus Bo Diddleys Band aus.
Ein bizarres Erlebnis, diese erste Tour. Was meine eigenen Künste anging, war ich mir immer etwas unsicher, aber ich wusste, gemeinsam können wir was auf die Beine stellen. Es funktioniert.
Am Anfang mussten wir die Show eröffnen, dann durften wir als Letzte vor der Pause ran, dann als Erste nach der Pause, und sechs Wochen später meinten die Everly Brothers: Hey, ihr Jungs solltet als Headliner auftreten . Das alles innerhalb von sechs Wochen! Wir reisten durchs Land, und es tat sich was. Plötzlich kreischten die Mädchen, wir wurden zu Teenie-Idolen. Und wir »Bluesmen« sagten uns, aha, jetzt geht’s also bergab. Wir wollten keine beschissenen Pseudo-Beatles sein, wir hatten verdammt nochmal hart dafür gearbeitet, um es zu einer richtig, richtig guten Bluesband zu bringen. Aber so ließ sich eben mehr Geld verdienen, und wenn du vor so vielen Menschen auftrittst, kannst du es dir irgendwann nicht mehr aussuchen. Dann bist du keine bloße Bluestruppe mehr, sondern eine Popband. So nannten sie uns jetzt, und wir hassten es.
In ein paar Wochen vom reinen Nichts zu den Königen von London. Die Beatles konnten nicht die ganzen Charts ausfüllen. Etwa ein Jahr lang übernahmen wir den Rest. Bob Dylan hat schon alles gesagt: »The Times They Are a-Changin’«. Man spürte es, es lag in der Luft. Und es ging schnell. So sehr ich die Everly Brothers liebte, und ich liebte sie wirklich - sie spürten es ebenfalls. Sie spürten den Wandel. Da konnten sie noch so großartig sein, als plötzlich dreitausend Menschen »Wir wollen die Stones! Wir wollen die Stones!« skandierten, waren sie wehrlos. Es ging verdammt
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