Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Life - Richards, K: Life - Life

Titel: Life - Richards, K: Life - Life Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Richards
Vom Netzwerk:
schnell. Andrew Loog Oldham erkannte die Gelegenheit, er hatte die Sache im Griff. Wir wussten nur, dass wir ein Feuer entfacht hatten. Ein Feuer, das ich, ehrlich gesagt, immer noch nicht kontrollieren kann.
    Wir kannten nur eines: das Touren. Jede Woche, jeden Tag, mit einem Tag Pause hier und da, um längere Strecken zurückzulegen. Selbst auf der Straße spürten wir es, egal ob in England, Schottland oder Wales. Schon sechs Wochen vorher lag es in der Luft.
Wir wurden immer größer, es wurde zunehmend verrückter, bis wir uns nur noch fragten, wie wir in den Saal rein- und wieder rauskommen sollten. Gespielt wurde maximal fünf bis zehn Minuten. Ich schätze, in England haben wir achtzehn Monate lang keine einzige Show zu Ende gebracht. Die einzige Frage war, warum wir diesmal aufhören würden - wegen einem Krawall, weil die Bullen die Tür eintraten oder weil zu viele Mädels in Ohnmacht fielen? Und wie zur Hölle sollten wir da rauskommen!? Damit verbrachten wir den Großteil des Tages, mit dem Planen unseres Abgangs. Vom eigentlichen Gig kriegten wir kaum was mit, das war sowieso der pure Wahnsinn. Letztlich waren wir da, um dem Publikum zuzuhören! Zehn, fünfzehn Minuten pubertäres Mädchengekreische, und niemand registriert mehr deine Fehler. Perfekt! Dreitausend Teenager stürzen sich auf dich oder werden auf Tragen davongeschleppt. Die Turmfrisuren ruiniert, die Röcke bis zur Taille hochgeschoben, rot angelaufen, verschwitzt, die Augen verdreht. So gefällst du mir, Süße, so ist es richtig! Auf der Setlist standen »Not Fade Away«, »Walking the Dog«, »Around and Around« und »I’m a King Bee«.
    Manche Chief Constables schmiedeten lächerliche Pläne für unsere Gigs. Zum Beispiel in Chester. Nach der Show, die im Tumult geendet hatte, mussten wir mit dem Chief Constable der Chester Police über die Dächer klettern. Wie in einem skurrilen Disneyfilm. Vornweg der Chief Constable in voller Uniform mit einem Constable an seiner Seite, dann ich, der Rest der Band hinter mir. Und dann verläuft sich der Schlaumeier, sein toller »Flucht aus Colditz«-Plan geht voll in die Hose, und wir hocken irgendwo auf den Dächern von Chester. Kurz darauf fängt es an zu regnen. Wir fühlen uns wie in Mary Poppins. Der Constable in Uniform samt Schlagstock, nichts fehlt, aber sein Masterplan ist gescheitert. Damals dachte man in meinem Alter noch, die Polizei wäre immer Herr der
Lage. Das sollte man ja auch denken. Aber bald war uns klar, dass diese Typen auch noch nie mit so was konfrontiert worden waren. Das war für die genauso neu wie für uns, keiner hatte einen Plan.
    An manchen Abenden spielten wir »Popeye the Sailor Man«, weil uns die Leute sowieso nicht hörten. Auf die Musik konnten sie sowieso gar nicht reagieren. Höchstens auf den Beat, den Rhythmus, denn die Drums kamen immer durch - sonst nichts. Die Stimmen, die Gitarren hatten nicht die geringste Chance. Im Grunde ging es nur darum, mit uns in einem abgeschlossenen Raum zu sein, mit dieser Illusion aus Mick, Brian und mir. Vielleicht war die Musik der Auslöser, hat den Abzug gedrückt, aber das eigentliche Projektil … keiner weiß, was das war. Meistens lief es noch glimpflich ab, jedenfalls für das Publikum. Unter den Abertausenden gab es einige Verletzte und auch ein paar Tote. Irgendein Mädchen warf sich vom Balkon im dritten Rang und landete auf irgendwem. Das unschuldige Opfer kam mit schweren Verletzungen davon, sie selbst brach sich das Genick und starb. So was passierte ab und zu. Aber die ohnmächtigen Körper, die nach ein, zwei Songs an uns vorbeigetragen wurden, die sahen wir jeden Abend. Wenn es zu viele waren, wurden sie seitlich an der Bühne gestapelt, wie an der Westfront. In der Provinz war es am schlimmsten. Das war Neuland für uns. Zum Beispiel in Hamilton, vor den Toren Glasgows, wo sie vor der Bühne einen Maschendrahtzaun hochgezogen hatten - als Schutz vor angeschliffenen Pennys und Bierflaschen. Die männlichen Zuschauer hatten nämlich immer noch was dagegen, dass ihre Mädchen bei unserem Anblick in Geschrei ausbrachen. Hinter dem Zaun patrouillierten Hunde. Solche Schutzvorrichtungen waren nichts Neues. In manchen Gegenden, besonders im Umland von Glasgow, waren sie ganz normal, in Amerikas Südstaaten und im Mittleren Westen auch. Der Bühnenaufbau von Wilson »Midnight Hour« Pickett beispielsweise
bestand aus einem Gewehrständer links und einem Gewehrständer rechts. Und die Büchsen waren nicht nur

Weitere Kostenlose Bücher