Life - Richards, K: Life - Life
gerät völlig außer Kontrolle. Das sind die Rolling Stones, Herrgottnochmal!
Polizeichef:
Und deine kleinen Jungs werden trotzdem hinter Gittern landen.
Richter [vom Interview zurück]:
Was soll das?
Der Bruder des Richters [der ihn beiseitenimmt]:
Tom, kann ich dich einen Moment sprechen? Es gibt keine Rechtsgrundlage für die Festnahme. Wenn wir uns hier nicht an den Wortlaut der Gesetze halten, kommt uns das teuer zu stehen.
Richter:
Weiß ich, klar. Ja, ja. Mr. Carrer. Treten Sie bitte alle an den Richtertisch.
Außer Polizeichef Gober hatten sich mittlerweile alle beruhigt. Die Durchsuchung hatte nichts zutage gefördert, was sie gegen uns hätten verwenden können. Sie konnten uns nichts anhängen. Das Kokain gehörte dem Tramper Freddie und war auf unrechtmäßigem Wege entdeckt worden. Die Polizei hatte sich bereits mehrheitlich auf Carters Seite geschlagen. Nach vielem Hin und Her und nachdem die Beteiligten sich mehrfach irgendetwas ins Ohr geflüstert hatten, machten Carter und die anderen Anwälte einen Deal mit dem Richter. Es war ganz einfach: Der Richter wollte das Jagdmesser haben und ließ die diesbezügliche Anklage fallen - es hängt noch heute im Gerichtssaal. Das rücksichtslose Fahren reduzierte er auf ein bloßes Vergehen, auf ein besseres Bußgeld wie bei Falschparken, das mich 162,50 Dollar kostete. Mit den 50 000 Dollar, die Carter in bar mitgebracht hatte, zahlte er eine Kaution von 5000 Dollar für Freddie und das
Kokain, und es wurde vereinbart, dass er später beantragen würde, die Sache aus verfahrensrechtlichen Gründen fallenzulassen. Damit war Freddie frei. Es gab allerdings eine letzte Bedingung. Bevor wir verschwanden, mussten wir eine Pressekonferenz mit dem Richter geben und uns Arm in Arm mit ihm fotografieren lassen. Ronnie und ich setzten uns für die Konferenz hinter den Richtertisch. Irgendwo hatte ich einen Feuerwehrhelm gefunden, und sie filmten mich, wie ich mit dem Hammer auf den Tisch schlug und vor den Journalisten verkündete: »Fall abgeschlossen.« Puh!
Dieser Ausgang der Gerichtsaffäre war typisch Stones. Die Behörden, die uns festsetzten, standen jedes Mal vor der gleichen heiklen Entscheidung: Sollen wir sie einsperren, oder wollen wir uns mit ihnen fotografieren lassen und sie mit einer Motorrad-Eskorte aus der Stadt begleiten? Die Meinungen gingen immer wieder auseinander. In Fordyce stand es auf Messers Schneide - und dann bekamen wir doch die Eskorte. Die Polizei musste uns den Weg durch die Menge bahnen und uns gegen zwei Uhr morgens zum Flughafen bringen, wo der Flieger mit laufenden Motoren und einem ausreichenden Vorrat an Jack Daniel’s schon auf uns wartete.
Im Jahr 2006 war der politische Ehrgeiz von Mike Huckabee, dem Gouverneur von Arkansas, der sich um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner bewarb, groß genug, um mich wegen meines inzwischen dreißig Jahre zurückliegenden Fehlverhaltens zu begnadigen. Gouverneur Huckabee spielt übrigens selbst Gitarre, ich glaube sogar, er hat eine eigene Band. In Wirklichkeit gab es gar nichts zu begnadigen. In Fordyce lag nichts gegen mich vor, doch egal, ich wurde so oder so begnadigt. Bloß - was zum Henker wurde aus dem Auto? Wir ließen die mit Stoff vollgestopfte
Karre damals einfach in der Parkgarage stehen. Ich würde zu gern wissen, was sie damit angestellt haben. Vielleicht wurde die Verkleidung nie abgemacht. Und vielleicht fährt noch immer jemand mit dem ganzen Shit in der Gegend herum.
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KAPITEL 2
Einzelkind im Moorland von Dartford. Campingferien in Dorset mit meinen Eltern Bert und Doris. Abenteuer mit meinem Großvater Gus und Mr. Thompson Wooft. Gus bringt mir den ersten Lick auf der Gitarre bei. Ich lerne, Prügel einzustecken, und bezwinge später den Schulhofschläger der Dartford Tech. Doris schult meine Ohren mit Django Reinhardt, und durch Radio Luxemburg entdecke ich Elvis. Ich verwandle mich vom Chorknaben zum Rebellen und werde von der Schule verwiesen.
J ahrelang schlief ich im Durchschnitt zweimal die Woche. Das heißt, ich war mindestens drei Leben lang bei Bewusstsein. Noch vor diesen Leben lag meine zähe Kindheit, die ich östlich von London an der Themse verbrachte, in Dartford, wo ich am 18. Dezember 1943 geboren wurde. Laut meiner Mutter geschah das während eines Luftangriffs. Das wird wohl so sein. Der erste Fetzen einer Erinnerung ist jedenfalls, dass ich bei uns hinterm Haus im Gras liege, zu dem brummenden Flugzeug hochzeige und
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