Light Dragons
dann bleibe ich. Zumindest so lange, bis ihr mir geholfen habt, meine Erinnerung wiederzuerlangen, damit ich euch beweisen kann, dass ich kein Drache bin.«
Gabriel lächelte mich an und zeigte dabei zwei Grübchen auf den Wangen. Auf mich hatten sie allerdings keine Wirkung. Zwar misstraute ich Gabriel nicht, aber ich fühlte mich in seiner Gegenwart auch nicht so wohl wie in Mays. Die Macht, die er ausstrahlte, machte mich misstrauisch und unruhig.
Broms Kommen ging jedoch leider nicht so schnell vonstatten. Nach einem ausführlichen Gespräch mit Penny, der amerikanischen Freundin, die Brom und mich ins Herz geschlossen hatte, versprach sie, ihn Gabriel und May zu übergeben, wenn sie am Nachmittag in Spanien landeten.
»Ich war noch nie in England«, sagte Brom, als ich ihm erklärte, dass er zu mir kommen würde. »Jedenfalls kann ich mich nicht erinnern. Oder, Sullivan?«
Ich geriet in Panik. »Brom, du erinnerst dich doch noch an letztes Jahr Weihnachten?«
»An letztes Weihnachten? Als du böse geworden bist, weil ich einen Sezierkasten haben wollte, du mir aber einen Gameboy schenken wolltest?«
Ich entspannte mich. Die plötzliche Angst, der Gedächtnisverlust könne erblich sein – oder jemand hätte auch seine Erinnerung manipuliert – löste sich in Wohlgefallen auf. »Äh … ja. Das stimmt.«
»Was ist damit?«
»Denk einfach daran, dass du zwar nicht immer verstehst, warum manche Dinge passieren, sich dann aber herausstellt, dass es so am besten war«, sagte ich mit mütterlicher Weisheit. »Benimm dich gut bei May und Gabriel, aber wenn irgendwas mit ihnen passiert, ruf mich sofort an, ja?«
»Ja, okay. Penny sagt, ich muss jetzt meine Sachen packen. Tschüss.«
Ich legte auf. Einerseits war ich erleichtert, aber andererseits machte ich mir auch Sorgen. Konnte ich Gabriel und May vertrauen? Wo war Gareth, und warum hatte er Brom so lange allein gelassen? Und was ging in meinem Kopf vor sich? War ich wahnsinnig geworden oder nur das Opfer eines schrecklichen Komplotts?
»Ich brauche wirklich eine Therapie«, sagte ich laut und dachte an den kleinen Garten, den ich mir mit den anderen Bewohnern in meinem Mietshaus teilte. Er war meine Zuflucht vor den Herausforderungen und Prüfungen des Alltags. Er schenkte mir Frieden.
»Alle silbernen Drachen mögen Pflanzen«, sagte Kaawa hinter mir. »May hatte bisher noch keine Zeit, den Garten in Ordnung zu bringen, aber ich bin sicher, sie hätte nichts dagegen, wenn du dort ein bisschen Unkraut jätest.«
Ich fuhr herum und warf ihr einen scharfen Blick zu. »Woher weißt du, dass ich an einen Garten gedacht habe?«
Sie lächelte nur und wies auf die Terrassentüren. Gabriels Haus lag zwar mitten in London, aber es hatte einen winzigen Garten, der von einer hohen Ziegelmauer umgeben war. Mir wurde es leicht ums Herz, als ich die überwucherten, ungepflegten Blumenbeete sah, und bevor ich wusste, wie mir geschah, sank ich auf die Knie und schloss die Augen, als ich mit den Händen die sonnenwarme Erde berührte.
»Ich lasse dich hier allein. Es dauert mindestens vier Stunden, bis Gabriel bei deinem Sohn ist«, sagte sie und schaute mir amüsiert dabei zu, wie ich die Finger in die Erde krallte und das Unkraut herauszog, das eine Chrysantheme erstickte.
»Ich weiß. Und ich kann genauso gut im Garten warten«, sagte ich und blickte mich um. Es gab nur drei Beete. Dem einen schien ein Unglück widerfahren zu sein, denn der wilde Flieder darin lag am Boden, und der Rest des Beetes war von Gras überwuchert. In dem zweiten standen kleine Rhododendren, die um ihr Leben kämpften. Dazwischen wuchsen Iris und Phlox. In dem Beet, vor dem ich kniete, waren Herbstblumen gepflanzt, die allesamt von wucherndem Unkraut und Gras bedroht wurden.
Kaawa ging, und ich verbrachte eine angenehme Stunde mit Unkraut jäten, wobei ich mich die ganze Zeit angstvoll fragte, was aus meinem Leben geworden war.
3
»Wo ist sie?«
Obwohl ich niemanden sah, hörte ich das Gebrüll bis in die hinterste Ecke des Stalles, wo ich mich hinter dem kaputten Wagen versteckte, den Dew, der Schmied, schon vor Monaten hätte reparieren sollen.
Die Stalltüren knallten mit einer Wucht zu, dass die Bretter hinter mir vibrierten. Die Pferde im Stall schnaubten erschreckt und wieherten. Hastig setzte ich die beiden Kätzchen ab, die ich zum Trost an mich gedrückt hatte, und ließ sie zu ihrer Mutter zurücklaufen. Dann klopfte ich mir das Stroh von den Beinen und bahnte mir einen
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