Lila Black 01 - Willkommen in Otopia
Kräfte ihre Kleider an, fuhren darunter, drangen ihr in Mund und Nase und sogar in die Augen, sodass sie hektisch blinzelte. Das Gleiche geschah auch mit Dar. Während er mit ausgebreiteten Armen dastand, um die Durchsuchung durch den Luftgeist über sich ergehen zu lassen, begegneten sich ihre Blicke. Dars Augen wirkten fast, als wäre niemand zu Hause.
»Nicht bewegen«, flüsterte er. »Tu gar nichts. Luft ist sehr empfindlich.«
Lila war tief, tief verwirrt.
4 … 3 … 2 … 1 …
Sie öffnete den Mund, holte tief Luft und schrie, was ihre Lunge hergab. Es war ein schrecklicher, urtümlicher Schrei, Ausdruck eines ebenso schrecklichen und urtümlichen Anpralls von Gefühlen, die Lila nicht mehr verdrängen konnte. Ihre gesamten Sinne wurden durch den inneren Sturm ausgelöscht, als ob ein Tornado ihre Nerven zerfetzte. Ihr Herz stockte, und die lebenserhaltenden Systeme schalteten sich mit stummem, gelbem Alarmblinken ein. Ihr Reaktor fuhr hoch. Aber das Seltsamste war, dass sich die klare Trennung zwischen ihr und Tath verwischte. Seine Emotionen und ihre waren ganz ähnlich, und in ihrer Kollision sah sie, was er gesehen hatte, und begriff sie, was es bedeutete.
Sie sah die kleine weiße Blume brennen.
Sie sah die Asche herabsinken.
Sie hörte die magische Energie in der Blume ersterben und fühlte, wie der Zauber, den diese enthalten hatte, zerstob und sich in nichts auflöste, wenn sie auch nicht wusste, worin er bestanden hatte.
Sie sah Dars Gesicht, als er die Blume in ihrer Hand erkannte, in seiner Hand, in Taths Hand. Seine Augen sahen nicht sie an, sie sahen in Taths Gesicht, sahen Tath.
Tath hatte die Wahrheit gesagt. Er war Dars Verbündeter. Mehr als das. Da war eine Art Wahlbruderschaft zwischen ihnen, ein spirituelles Band, eine Beziehung, für die Lila kein Wort hatte.
Jetzt war ihr Dars Verzweiflung verständlicher.
Und da war noch etwas – etwas, das mit Taths magischen Kräften zu tun hatte –, aber das entglitt ihr, als ihr Schrei endete. Die äußere Welt stürzte auf sie ein. Sie hielt sich aufrecht, stand aber nicht mehr auf dem Boden. Dar war unter ihr, und sie schwebte in einem Wirbel von Luftströmungen, die sie mehrere Meter über dem Boden hielten, dicht unter der Decke der Kaverne.
Tath separierte sich von ihr, als sie langsam auf den Kopf gedreht wurde. Übergib mir die Kontrolle, wenn du am Leben bleiben und eine Chance haben willst, Zal zu retten, beschwor er sie von der blattgrünen Stelle in ihrer Brust aus. Der Elementargeist weiß, dass wir nicht die sind, für die wir uns ausgeben.
Die Luft, die sie trug, begann zu wirbeln und zu strudeln. Sie drehte Lila im Kreis. Winzige Zephirsplitter drangen ihr unter die Fingernägel und zwischen Zahnfleisch und Zähne. Sie fühlten sich an wie Nadeln. Lila kämpfte dagegen an, versuchte sie wegzuschlagen, wegzureiben, sich zu befreien, aber ihre Gegenwehr änderte gar nichts. Die Luft würde mit ihr machen, was sie wollte.
Lila überließ Tath die Kontrolle. Sie fühlte sich auseinandergenommen, als ob in ihrem Zentrum nichts wäre als die seltsame Konzentration seiner grünen Energie. Tath entfaltete sich wie eine Blüte, während der Windwirbel sie immer schneller im Kreis zu drehen begann. Nur ganz vage noch war ihr bewusst, dass Dar unter ihr stand, in der Hand die steinerne Flöte.
Tath-in-Lila war so agil wie ihre KI, aber mit einer instinktiven biologischen Leichtigkeit und Anmut, die sie nie besessen hatte. Lila fühlte, wie ihre Arme und Beine bewegt wurden, in eine Haltung gebracht wurden, die mit den Luftströmen in Einklang stand. Wo sie sich dem Wind widersetzt hatte, bewegte Tath sich mit ihm, und augenblicklich ließ das schlimmste Gewirbel nach. Jetzt erst erkannte Lila, dass das die Art und Weise sein musste, wie man mit der Luft sprechen konnte. Tath öffnete ihren Mund und spreizte ihre Finger. Die Luft strömte in ihre Lunge und wieder hinaus, zog sie mit sich und trug sie. Das Gewirbel wurde immer langsamer, war nur noch ein träges Kreiseln. Die Nadelspitzen waren verschwunden. Nur Temperaturströme strichen noch über ihre Haut und durch ihr Haar. Sie durchdrangen Taths äußere Hülle und tasteten sich über Lilas magisches Mal, ihr Gesicht, all die Stellen ihres Körpers, wo das Fleisch für immer durch Zauberkraft gezeichnet und mit Metall verbunden war.
Wirst du eine Beschwörung wirken? Hast du’s schon getan?, fragte Lila Tath, als sie langsam hinabgelassen wurden.
Ich kenne keine, die
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