Lila Black 01 - Willkommen in Otopia
Tath voller Traurigkeit. Es war jemand, nach dem er sich sehnte.
»Astar«, zwang sich Lila zu sagen, obwohl der Schmerz in ihrem Arm so höllisch war, dass sie kaum etwas sah. Aber Taths Aura überdeckte es. Sie wirkte nicht mal angesengt.
»Was für eine Art, hier hereinzukommen, My Lord«, sagte Astars sanfte, feminine Stimme. Lila blickte zu der Person auf, die ihr aufhalf, und sah eine Elfenfrau mit schwarzem Haar, das ihr in nachtdunklen Wellen um die Schultern fiel. Ein einzelner Diamant funkelte in einem Silberrund auf ihrer Stirn, und ihre Augen darunter blickten besorgt – sehr besorgt, und nicht nur um Taths Gesundheit, dachte Lila. Dieser Verdacht bestätigte sich, als sie hinter sich eine zweite Frauenstimme hörte, noch sanfter und melodischer als die von Astar.
»Tath und Dar, wer hätte gedacht, dass es euch je an Kredit bei den Elementargeistern fehlen könnte? Es gab Zeiten, da wärt ihr mühelos bis zu meiner Tür spaziert.«
Lila entriss der hilfsbereiten Astar ihre Hände, ehe die Elfenfrau Zeit hatte, einen Unterschied zu fühlen, und rang darum, auf den Beinen zu bleiben. »Ich war zu lange jenseits der Leere, in Thanatopia«, sagte sie in der Hoffnung, dass das eine plausible Erklärung war. »Da sind gewisse Veränderungen … unvermeidlich.« Sie blickte rasch zu Dar hinüber, der jetzt ebenfalls stand, obwohl er halb verbrannt und halbertrunken aussah. Zwei kräftige Elfenmänner flankierten ihn in leicht angewidertem Abstand. Sie waren beide auf eine Art gut aussehend und gepflegt, bei der sich Lila alle Haare sträubten: Sie erinnerten sie an Vertreter. Zum Glück hatte keiner von ihnen Ähnlichkeit mit Zal.
Dann drehte Lila sich zu Arië um.
Die Herrin des Aparastil hatte intensiv grasgrüne Augen. Sie leuchteten von innen, als wären sie aus farbigem Glas, durch das die helle Morgensonne fiel. Ihr Gesicht hatte das Weiß von feinstem Porzellan und war von Kaskaden bernsteinfarbenen Haars umrahmt. An ihrer Schläfe saß ein kleines Silberrund, und die eng anliegenden, wohlgeformten Ohren hielt sie in einem neutralen Winkel. Ihre Kleidung war in Wassertönen gehalten und erstaunlich praktisch – Lila hatte Roben erwartet, aber Arië bevorzugte Hosen, Stiefel und robuste, waldtaugliche Sachen, was sie alles in allem viel hübscher aussehen ließ, als es das aufwändigste Kleid gekonnt hätte. Feine Silberblättchen blinkten da und dort in dem Stoff und dem Leder, was aussah, als hätte sie der Wald selbst mit Spinnweben gekleidet. Ihr Gesicht war anders geschnitten als das von Dar, an das sich Lila inzwischen gewöhnt hatte. Früher hätten alle Elfen für sie gleich ausgesehen, dachte Lila, aber jetzt erkannte sie Ariës hochelfische Züge – die denen von Zal glichen. Doch sie kam nicht dazu, darüber nachzudenken, weil sie jetzt verblüfft den Raum zur Kenntnis nahm, in dem sie sich befanden – die Halle der Herrin.
Sie befanden sich in einer Unterwasserblase. Die Wände, der Boden und die gewölbte Decke bestanden aus Wasser – Wasser, das von Zauberkraft zurückgedämmt und in die weichen Bogen- und Parabelformen der elfischen Architektur gezwungen wurde. Das Licht, das die Halle erhellte, war Sonnenlicht, musste aber von der Oberfläche herabgeleitet worden sein, dachte Lila, da ihre Anzeigen besagten, dass sie sich etwa einen Fünftelkilometer unter der Seeoberfläche befanden. Mächtige Stängel von riesigen Seerosen und Wasserhyazinthen ragten neben ihnen in dem grünlichen Dunkel auf. Und der Boden, den Lila für Jade gehalten hatte, war einfach nur Wasser, das sich weigerte, sie durch seine Oberfläche sinken zu lassen. Verwundert fragte sie sich, welche Bedingungen wohl dazu führten, dass sie auf dieser Oberfläche stehen konnte, und wie ätherische Manipulation so etwas hervorzubringen vermochte. Sie war starr vor Staunen.
Dar hingegen war längst nicht so beeindruckt. Er machte sich von seinen Bewachern los, verzog dabei das Gesicht vor Anstrengung, seine Verletzungen zu verbergen, und verbeugte sich tief vor Arië. »Herrin des Aparastil, ich bin Euer treuer Diener. Taths Aura ist nur ein Trick. Er wurde in Sathanor getötet, und sein Geist bewohnt gegen seinen Willen diesen Menschenkörper. Es war ein notwendiges Übel, das ich zulassen musste, um Euch diese Person ausliefern zu können: die otopische Agentin Lila Black.«
Lila fiel die Kinnlade herunter. Sie war wie betäubt, fühlte nichts als Taths Erheiterung in ihrem Inneren. »Du mieser Verräter«,
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