Lila Black 01 - Willkommen in Otopia
schlangenähnliches Etwas, das unmittelbar außerhalb des Kerzenscheins vorbeiglitt.
Drache, sagte Tath.
Lila wusste nicht viel über Drachen. Sie waren so selten, dass fast nichts über sie bekannt war. Im Allgemeinen galten sie als gutes Omen, aber nur, wenn man sie von weitem sah, so wie Katzen oder Abendrot. Sie waren Unwetter- oder auch Schönwetterbringer, und es hieß, sie ritten auf Regenwolken und wohnten in entlegenen himmlischen Gefilden in den vier Ecken der Welt. Aber das alles, Himmelsrichtung, Fortbewegungsart, Wetter, hing ganz von der jeweiligen Sphäre ab, sodass man leicht auf den Bauch fallen konnte, wenn man zu wissen glaubte, was das Auftauchen eines Drachen bedeutete.
Er ist neugierig, sagte Tath, während sie beide in den See hinausblickten. Vielleicht wird er ja mit dir reden. Dieser Drache ist schon lange hier, länger, als ich lebe. Er hat noch nie mit irgendjemandem geredet, aber für Arië ist er das Symbol der Reinheit Aparastils. Seine Anwesenheit ist ihr sehr wichtig.
Maskottchen. Niedlich. Wie will er denn reden?, fragte Lila und hörte augenblicklich auf, die Wand abzuklopfen. Ich beherrsche die Drachensprache nicht.
Drachen sind Telepathen, erklärte ihr Tath. Wenn er will, kann er mühelos kommunizieren.
Hast du schon mal mit einem Drachen gesprochen?
Ein einziges Mal. Ein Gespräch, von dem ich nichts verstanden und das ich nur mit viel Glück überlebt habe. Ihn schauderte, was sich für Lila anfühlte, als hätte sie Herzflimmern. Sie atmete tief durch. Draußen im trüben Schwarzgrün blinkten für einen Moment goldene Schuppen auf, dann war da nichts mehr.
Plötzlich veränderten sich die Spiegelungen in den durchsichtigen Wänden, und Lila drehte sich um. Zals Überraschung, als ihn die Wachen durch die Tür stießen und sie hinter ihm schlossen, hatte fast schon etwas Komisches. Er blieb jäh stehen und musterte sie von Kopf bis Fuß, alles an ihr, vom Kopf über das Unterhemd und den verbrannten Arm bis zu den metallenen Beinen. Seine verdutzte Miene wurde zu einem Grinsen, das mehr als nur eine Spur dämonisch war, und Lilas Herz begann zu rasen, dass ihr die Luft wegblieb.
»Hey, Agent Black, welch freudiges Desaster.«
Lila musste feststellen, dass das Nacktheitsgefühl von eben nichts gewesen war, verglichen mit dem jetzt. In Zals Grinsen lag nichts von dem Abscheu, den die Gesichter der anderen Elfen widergespiegelt hatten. Ihr wurde ganz heiß, und als sie zu einer Erklärung ansetzen wollte, kam nichts heraus.
Du hast mir nicht gesagt, dass du in ihn verliebt bist, sagte Tath. Und schon gar nicht, dass er in dich verliebt ist.
Ist er nicht, wies ihn Lila zurecht, wies sie sich selbst zurecht. Ihr Spiegelbild war ihr nur zu präsent. Sie nahm Taths Neid kaum wahr. Wir kennen uns eigentlich gar nicht. Das ist nur ein magischer Trick.
Tath lachte sie aus.
Lila spürte immer noch Zals Blick auf sich. Sie hatte das Gefühl, buchstäblich zu schmelzen. Sie wollte es sich auf keinen Fall anmerken lassen. Es durfte einfach nicht wahr sein. Sie war abstoßend, und nur ein temporärer magischer Effekt konnte ihm etwas anderes vorgaukeln.
Warte …, sagte Tath, aber Lila schob ihn beiseite. Auf seine verächtlichen Sprüche über ihre Bedürftigkeit konnte sie verzichten. Ihre Aufgabe war es, so zu tun, als liebte sie Zal, zumindest im Rahmen des Spiels, und das würde sie hinkriegen. Und wenn es sich echt anfühlte, würde sie sich in Erinnerung rufen, dass es nicht echt war, und wenn es sie doch überforderte, würde sie so tun, als wäre es echt und es auf diese Weise durchziehen.
Einer der größten Vorzüge einer KI, befand Lila, bestand darin, dass sie in solchen Situationen Vernunft bewahrte.
Sie sah auf und stählte sich innerlich. »Ich bin hier, um dich zu befreien.«
»Ich bin entzückt«, antwortete Zal und verschränkte die Arme vor der Brust. »Und ich nehme an, dass du hier in diesem Hochsicherheitstrakt sitzt, mit nichts am Leib als scheußlicher Militärunterwäsche und diversen Brandnarben, ist Teil eines ausgetüftelten Plans?«
»Natürlich«, sagte Lila. Es war klar, dass sie nicht über den Plan sprechen konnten, nicht mal zum Schein, und sie musste gegen den Drang ankämpfen, zu ihm hinzustürzen. Bildete sie es sich nur ein, oder war da ein Zitrusprickeln in der Luft? Sie schaltete auf Äthersicht und sah die charakteristischen Schwaden wilder Magie durch den Boden emporsteigen.
Zal folgte ihrem Blick. Dann sah er wieder sie an und
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